Kassel macht Schule: Neubau für Offene Schule Waldau
Marode Gebäude, fehlende Schulplätze und steigende Schülerzahlen – die Situation an deutschen Schulen spitzt sich vielerorts zu. Die Stadt Kassel setzt nun ein deutliches Zeichen und errichtet ein hochmodernes Schulgebäude für die reformpädagogische Offene Schule Waldau (OSW). Der Neubau soll nicht nur den 950 Schülerinnen und Schülern sowie 90 Lehrkräften optimale Bedingungen bieten, sondern auch als lebendiger Treffpunkt für den Stadtteil dienen. Geplant sind Einrichtungen wie eine Jugend- und Stadtteilbibliothek sowie ein Jugendzentrum, die allen Anwohnerinnen und Anwohnern offenstehen. Das neue Gebäude wird als Musterbeispiel für kreislauffähiges Bauen konzipiert. Die Stadt Kassel arbeitet hierfür eng mit dem Umweltberatungsinstitut EPEA zusammen, einer Tochter des in Stuttgart ansässigen Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE.
„Unser Ziel ist es, ein Gebäude zu schaffen, das höchsten pädagogischen, funktionalen und nachhaltigen Ansprüchen gerecht wird“, erklärt Michaela Jordan, Projektleiterin bei der GWG Projektentwicklung GmbH. Entworfen wurde der Neubau vom renommierten dänischen Architekturbüro C.F. Møller Architects, das auf energieeffiziente Bauweise, nachhaltige Materialien und flexible Raumkonzepte setzt.
Rohstoffretter statt Ressourcenverschwender
Ein besonderes Highlight des Neubaus ist seine wandelbare Struktur: Dank modularer Fassaden und eines Skelettbaus mit Holztragwerken lässt sich das Gebäude später mühelos umbauen oder erweitern, ohne wertvolle Ressourcen zu verschwenden. Solche kreislauffähigen Gebäude- und Bauprodukte für die Immobilienwirtschaft und Industrie mit zu entwickeln, ist Schwerpunkt des Umweltberatungsinstituts EPEA, das seit fünf Jahren Teil der Drees & Sommer-Gruppe ist. Die interdisziplinären Teams – bestehend aus Umweltwissenschaftler:innen, Chemiker:innen, Architekt:innen, Bauingenieur:innen und Materialspezialist:innen – beraten Unternehmen und die öffentliche Hand beim Umbau von der linearen zur zirkulären Wirtschaft. Zu den Auftraggebern gehören neben Industrieunternehmen wie Würth oder Schüco auch Städte wie Heidelberg oder Kassel.
Beim Bau der Schule stehen überwiegend nachwachsende Rohstoffe und recycelbare Materialien im Mittelpunkt: „Wir setzen auf nachhaltige Ressourcen wie Holz und Lehm, die nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch das Raumklima verbessern“, erklärt Antonia Birkholz, Projektleiterin bei EPEA. „Durch die Verwendung von lösbaren Verbindungen und vorgefertigten Bauelementen schaffen wir ein flexibles Gebäude, das den Anforderungen der Zukunft gerecht wird und gleichzeitig alle Vorgaben der Nachhaltigkeit erfüllt.“
Ausweis, bitte: Ressourcenpass für Gebäude
Damit es mit der nahtlosen Weiterverwertung der Materialien klappt, braucht es in erster Linie Transparenz. Dabei helfen Materialausweise, die sämtliche Bauteile und Konstruktionen bis ins kleinste Detail dokumentieren. Über 100 solcher Ressourcenpässe für Gebäude hat EPEA in den vergangen acht Jahren bereits erstellt. Sie dokumentieren genau, welche Materialtypen und – mengen verbaut werden, wie diese eingebaut sind, wie viel Material aus erneuerbaren Ressourcen wie Holz oder aus Recycling stammt und ob die Materialien am Ende des Lebenszyklus recycelt werden können – und das für alle eingesetzten Produkte im Gebäude. Hohe Punktzahlen gibt es beispielsweise für kreislauffähige und demontierbare Materialien, Abzüge bei Produkten, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Ganz genau wird auch der CO2-Fußabdruck der Konstruktion betrachtet: Bilanziert werden die Emissionen vom Abbau der Rohstoffe über ihre Verarbeitung zu Produkten, bis hin zum Austausch einzelner Elemente und der finalen Verwertung aller Materialien am Ende ihrer Nutzung. Durch die Verwendung CO2-armer Materialien verursacht die OSW circa 25 Prozent weniger graue Emissionen als herkömmliche Gebäude. Zusammen mit dem hohen Gebäudeenergieeffizienzstandard werden so über den gesamten Lebenszyklus Emissionen verringert.
Materialgesundheit und Biodiversität als zentrale Bausteine
Ein zentrales Ziel bei der Umsetzung des Schulprojekts ist die Schaffung einer gesunden Umgebung für die Schülerinnen und Schüler. Dabei stellt sich die Herausforderung, dass viele Bauprodukte nach wie vor schädliche Inhaltsstoffe enthalten, die sowohl die Umwelt als auch den menschlichen Körper belasten. Aus diesem Grund werden bei der Auswahl der Materialien beim Neubau nicht nur strenge Grenzwerte berücksichtigt, sondern auch solche Produkte gewählt, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken. So können beispielsweise Lehmoberflächen nicht nur unangenehme Gerüche neutralisieren, sondern auch Schadstoffe binden und unschädlich machen.
Neben der gesunden Innenraumluft setzt die Offene Schule Waldau auch im Außenraum ökologische Akzente: Begrünte Dachflächen verbessern das Mikroklima und schaffen Lebensräume für heimische Pflanzen und Tiere. „Wir bauen hier nicht nur eine Schule, sondern gestalten aktiv die Zukunft unseres Stadtteils mit“, so Michaela Jordan. „Mit dem neuen Gebäude schaffen wir ein gesundes Lernumfeld, das sowohl die Natur als auch die Menschen fördert.“