Digitalisierung in der Immobilienbranche: Zwischen Aufbruch und Realitätsschock
- Cloudbrixx-Umfrage: 80 Prozent der Unternehmen verfolgen Digitalisierungsstrategie, aber nur die Hälfte stellt personelle Ressourcen bereit
- Fehlende Prozessanalyse zu Beginn behindert oft systemübergreifende Digitalisierung
- Best Practice der Strategis AG: Ganzheitliche Digitalisierung ermöglicht bessere Kundenbindung und Prozessautomatisierung
- KI-Anwendungen treffen auf hohe Akzeptanz, doch mangelnde Datenqualität, fehlende Systemintegration und Datenschutz bremsen das Potenzial
Die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft ist in vollem Gange – doch sie verläuft keineswegs reibungslos. Während viele Unternehmen die strategische Bedeutung der Digitalisierung erkannt haben, mangelt es häufig an Ressourcen, systemischer Umsetzung und vor allem: an integrierten Prozessen. Das zeigte die von RUECKERCONSULT organisierte Online-Pressekonferenz „Zwischen Innovation und Umsetzungsproblemen – Warum die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft ins Stocken gerät“, an der Marc Mockwitz, Geschäftsführender Gesellschafter von Cloudbrixx, Sascha Nöske, Vorstandsvorsitzender der Strategis AG, und Marko Broschinski, Head of Sales bei der INTREAL Solutions, teilnahmen.
Umfrage: Strategien vorhanden – Umsetzung stockt
Im Mittelpunkt der Pressekonferenz stand die Vorstellung einer aktuellen Umfrage unter 87 Fach- und Führungskräften aus der Immobilienwirtschaft, die von Cloudbrixx und RUECKERCONSULT durchgeführt wurde. Die wichtigsten Ergebnisse: Zwar geben 79 Prozent der Befragten an, dass ihr Unternehmen über eine Digitalisierungsstrategie verfügt, doch nur 51 Prozent haben auch dezidierte personelle Ressourcen für deren Umsetzung bereitgestellt. Den eigenen Digitalisierungsgrad schätzen die Umfrageteilnehmer mit durchschnittlich 5,9 Punkten (auf einer Skala von 1 bis 10) höher ein als den der Immobilienbranche (4,6).
„Das zeigt eine gefährliche Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, erklärt Marc Mockwitz, Geschäftsführer von Cloudbrixx. „In vielen Unternehmen fehlt es schlicht an strukturellen Voraussetzungen – sei es durch mangelnde Prozessanalyse, unzureichenden Datenbestand oder fehlende Schnittstellen. Und gerade bei kleineren und mittlelgroßen Unternehmen sehen wir oft, dass Digitalisierung ‚nebenher‘ mitgemacht wird – ohne klare Zuständigkeiten.“ Gleichzeitig sei der Druck hoch: „Der Fachkräftemangel, steigende Kundenerwartungen und zunehmende ESG-Anforderungen machen Digitalisierung alternativlos.“
Strategis AG zeigt wie Digitalisierung gelingen kann
Wie die erfolgreiche Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie funktionieren kann, hat Sascha Nöske, Vorstandsvorsitzender der Strategis AG, erläutert. Der Berliner Spezialist für Einzel- und Globalverkauf, Transaktionsberatung und Property Management hat in den vergangenen fünf Jahren ein umfassendes Digitalisierungsprojekt erfolgreich umgesetzt – von der Prozessanalyse bis zur Automatisierung. „Wir haben verstanden: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie ist die Voraussetzung dafür, unsere Dienstleistungsqualität langfristig hoch zu halten“, betont Nöske.
Der Weg dahin sei jedoch steinig gewesen. „Wir haben zunächst alle Kernprozesse dokumentiert und standardisiert – erst danach kam die Tool-Auswahl. Wer sofort digitalisiert, ohne vorher seine Abläufe zu verstehen, erzeugt Insellösungen, die wenig bringen.“ Auch menschliche Faktoren spielten eine große Rolle: „Die besten Systeme nützen nichts, wenn sie nicht genutzt werden. Es braucht Change-Management, Schulungen und Geduld. Digitalisierung ist eine klassische Managementaufgabe.“
Messbare Fortschritte: Zeit für Menschen zurückgewinnen
Der Erfolg gibt Strategis recht: Inzwischen laufen 75 Prozent der Prozesse des Unternehmens automatisiert, Medienbrüche wurden eliminiert. Die Konsequenz: Mehr Zeit für Kommunikation mit Mietern, Eigentümern und Partnern. „Wenn der Mieter aus der U-Bahn per App eine Anfrage sendet und wir vor Ort im Quartier reagieren können, dann ist das echter Service“, so Nöske. Digitalisierung ermögliche eine neue Qualität der Kundenbindung – durch schnellere Abläufe, bessere Datenlage und höhere Transparenz.
Gleichzeitig reduziert die Digitalisierung operative Aufwände deutlich: Betriebskostenabrechnungen werden automatisiert erstellt und per App zugestellt. Interne Dokumentenflüsse laufen über ein zentrales Dokumentenmanagementsystem (DMS), externe Partner werden über Datenabonnements eingebunden. Die Voraussetzung: „Tonnen von Papierakten nehmen wir nicht mehr entgegen“, so Nöske entschieden. „Wer mit Ordnern auf der Ladefläche ankommt, wie es früher der Fall war, ist bei uns an der falschen Adresse.“
Beratungsperspektive: Digitalisierung braucht zunächst eine Strategie – nicht Tools
Marko Broschinski, Head of Sales bei INTREAL Solutions, begleitet zahlreiche Unternehmen auf ihrem Digitalisierungsweg. Sein Fazit: „In vielen Fällen wird zu schnell auf einzelne Tools gesetzt, ohne die strategische Einbettung zu klären.“ Besonders gefährlich seien Einzellösungen, die nicht an ERP-Systeme angebunden seien: „Dann fehlt der Datenfluss – und aus einem Tool wird ein isoliertes IT-Projekt ohne Mehrwert.“
Broschinski empfiehlt mittelständischen Unternehmen ein systematisches Vorgehen: Erst die strategische Zielsetzung, dann die Prozessanalyse, gefolgt von der Tool-Auswahl und schließlich der schrittweisen Implementierung. „Digitalisierung ist keine IT-Frage, sondern eine Führungsentscheidung.“
Künstliche Intelligenz: Große Erwartungen – strukturelle Hürden
Die Cloudbrixx-Umfrage zeigt: 48 Prozent der Befragten nutzen KI-gestützte Tools wie ChatGPT, Copilot oder Perplexity. Doch von einem flächendeckenden Einsatz im operativen Betrieb ist die Branche weit entfernt. „Solange die Datenbasis unstrukturiert oder lückenhaft ist, kann auch KI nicht sinnvoll wirken.“, warnt Broschinski. Mockwitz ergänzt: „KI wird erst dann produktiv, wenn sie tief in Workflows integriert ist, also wenn der User nicht prompten muss, sondern automatisiert Empfehlungen erhält.“
Sascha Nöske sieht die Anbieter in der Pflicht: „Wir brauchen operative KI, keine Spielereien. 20.000 Rechnungen im Jahr kann ich nicht manuell vorprüfen. Hier müssen ERP-Systeme die Übergabe von Daten an KI-Module ermöglichen – und wieder zurück.“
Auch Datenschutz bleibt ein zentrales Thema. Mockwitz: „Wir arbeiten intensiv an EU-konformen Lösungen, um KI in der Immobilienwirtschaft sicher und wirksam zu machen. Erst wenn wir hier Standards schaffen, wird der Durchbruch gelingen.“
Blick in die Zukunft: Krise als Katalysator
Die Diskussionsteilnehmer sind sich einig: Die aktuelle Marktkrise ist Fluch und Chance zugleich. „Gerade jetzt zeigt sich, wer strategisch gedacht und antizyklisch investiert hat“, so Nöske. Mockwitz sieht eine Spaltung der Branche: „Die einen professionalisieren sich, die anderen drohen abgehängt zu werden. Aber: Der Druck wächst – auch durch Ausschreibungen, ESG-Vorgaben und den Mangel an Nachwuchskräften.“
Broschinski betont: „Digitale Reife wird zum Wettbewerbsvorteil – wer heute nicht investiert, riskiert morgen den Marktzugang. Die Digitalisierung entscheidet künftig über Mandate, über Renditen und über die Resilienz der Geschäftsmodelle. Wer unzureichend digitalisiert ist, wird die Dienstleistungen in der richtigen und der geforderten Qualität für interessante und größere Mandate nicht mehr erbringen können und diese Aufträge nicht mehr erhalten.“
„Und nicht zuletzt federt die Digitalisierung das zunehmend größer werdende Problem des Fachkräftemangels ab. Das Personal wird durch digitale Prozesse entlastet und kann sich um die wichtigen Dinge kümmern wie die Mandantenbetreuung, statt um sinnentleerte zeitintensive Tätigkeiten wie Daten händisch übertragen zu müssen“, ergänzt Broschinski abschließend.