Aengevelt fordert noch mehr Augenmaß beim Denkmalschutz
DIP-Partner Aengevelt Immobilien sieht zunehmende Konflikte zwischen den Zielen des Denkmalschutzes und ökologischen sowie sozialen Anforderungen, die häufig zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass erhaltenswerte Bausubstanz verlorengeht, weil sich Revitalisierungen nicht wirtschaftlich darstellen lassen. Einige Bundesländer haben ihre Denkmalgesetze allerdings inzwischen liberalisiert, so dass sich energetische Verbesserungen, Barrierefreiheit, Brandschutz und Anpassungen an die moderne Arbeitswelt leichter realisieren lassen. Dieses Vorgehen muss bundesweit verstärkt und mit realitätsbezogenem Augenmaß umgesetzt werden.
Für die Mehrzahl der Immobilieneigentümer ist es (zunächst einmal) ein Schock, wenn ihr Objekt unter Denkmalschutz gestellt wird – was zunehmend auch bei jüngeren Gebäuden der Fall sein kann. So wurde im baden-württembergischen Bühl eine Fabrikhalle aus dem Jahr 1992 unter Denkmalschutz gestellt, als der Eigentümer einen Teilabriss vornehmen wollte. Zwar profitieren Denkmäler von einer Sonder-AfA und können unter bestimmten Bedingungen auch Fördermittel erhalten; die Mehrkosten für denkmalgerechte Sanierungen und Umbauten übersteigen indessen in aller Regel die Fördersummen.
Denkmalschutz kontra Klimaschutz & Co.
Besonders kritisch ist, dass der Denkmalschutz in vielen Fällen in den Konflikt mit anderen hochbewerteten politischen und gesellschaftlichen Zielen gerät, insbesondere mit dem Klimaschutz, der Energieeinsparung, dem Brandschutz, der Barrierefreiheit und der Nutzbarkeit in der digitalisierten Arbeitswelt. So dürfen in vielen Fällen historische Fassaden nicht gedämmt werden, es dürfen keine modernen dreifachverglasten Fenster eingesetzt werden, Solarthermie oder Photovoltaik auf dem Dach ist nicht oder lediglich eingeschränkt zulässig, auch Wärmepumpen und Erdsonden werden abgelehnt. Für zahlreiche Denkmalschützer hat die Erhaltung des historischen Erscheinungsbilds Priorität vor konkurrierenden ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen.
Wenn solche Sanierungen bzw. Umbauten nicht oder oft erst nach enorm zeitaufwändigen Abwägungen und Begutachtungsabläufen allenfalls lediglich partiell oder stark eingeschränkt genehmigt werden, kann dies zum paradoxen Effekt führen, dass wir Baudenkmäler verlieren, weil sie nicht mehr genutzt werden können und denkmalgerechte Revitalisierungsmaßnahmen nicht im Spektrum des durchaus möglichen Ermessens genehmigt werden. Die Situation wird sich in Zukunft verschärfen, weil energetisch ineffiziente historische Gebäude nicht von der periodisch anwachsenden CO2-Abgabe ausgenommen sind und somit von Jahr zu Jahr (noch) unwirtschaftlicher werden.
Zunehmendes Umdenken bei Zielkonflikten
Einige Bundesländer haben inzwischen auf die Zielkonflikte reagiert, indem ihre Denkmalschutzgesetze überarbeitet haben, um den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen besser gerecht werden zu können. So ermöglicht es der neugefasste § 7 Abs. 3 des Denkmalschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen jetzt durchaus, bauliche, technische und wirtschaftliche Maßnahmen durchzuführen, die Baudenkmäler in ihrem Bestand, ihrem Erscheinungsbild oder ihrem wissenschaftlichen Wert gefährden oder beeinträchtigen, sofern sie auf den erforderlichen Umfang beschränkt sind. Bauliche Maßnahmen, die eine Weiternutzung ermöglichen, sind damit zulässig, beispielsweise energetische Sanierungen, Anbau von Rampen, Aufzügen und Fluchttreppen oder auch die Installation von Solaranlagen.
Der ebenfalls neu gefasste § 8 Abs. 1 DSchG NRW stellt eine Hierarchie von Nutzungsmöglichkeiten auf. Baudenkmäler sollen zwar möglichst entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung genutzt werden. Falls dies nicht möglich ist, sollen möglichst ähnliche Nutzungen angestrebt werden. Sollte sich auch dies nicht realisieren lassen, ist auch eine Nutzungsänderung zulässig, sofern „eine möglichst weitgehende Erhaltung der denkmalwerten Substanz auf Dauer gewährleistet“ ist.
Zudem verpflichtet § 9 Abs. 3 DSchG NRW die involvierten Behörden und Einrichtungen bei ihren Entscheidungen, die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit „angemessen zu berücksichtigen“. Dabei wird keine Priorisierung der potenziell miteinander konfligierenden Ziele vorgenommen, so dass der Vorrang des Denkmalschutzes aufgehoben ist. Die Vorschrift zielt insbesondere darauf ab, den Umbau von Baudenkmälern zu zeitgemäßen Wohnungen zu ermöglichen, um auch in diesem Marktsegment dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken.
Auch bei den Genehmigungsverfahren sind Vereinfachungen und Beschleunigungsmöglichkeiten vorgenommen worden, beispielsweise, indem die Kompetenz der Unteren Denkmalbehörden zu Lasten der Denkmalfachämter gestärkt wurde.
Ähnliche Liberalisierungen des Denkmalschutzes sind auch in anderen Bundesländern erfolgt, darunter Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg. Die Novellierungen haben allerdings in der Regel zu teilweise heftiger Kritik aus der Denkmalschutzszene geführt.
Fazit
Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter des DIP-Partners Aengevelt Immobilien: „Zum Bürokratieabbau gehört auch, dass zu puristische Anforderungen des Denkmalschutzes, der zudem immer jüngere Gebäude erfasst, zugunsten vertretbarer sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Ziele zurückgenommen werden. Mehrere Bundesländer haben inzwischen gesetzliche Erleichterungen geschaffen; aber Denkmaleigentümer und Denkmalinvestoren sind bislang noch weitgehend unverändert mit zu engen Ermessensentscheidungen oder auch umgekehrt mit der noch weiterhin unzureichenden Ermessenhandhabung und -ausübung der Genehmigungs- und Beraterbehörden konfrontiert. Historische Bausubstanz zu erhalten und gemeinwohlorientiert zu betrachten, ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel, erfordert aber gerade deswegen, allseits Augenmaß zu bewahren und alle Abwägungskomponenten a bzubilden und so im Ergebnis verträgliche Lösungen zu finden. Ansonsten drohen Abseitsstellungen, Leerstand, Verfall und Abriss. Und das sind allesamt keine Alternativen.“