„Regulatorik hat schon in Kuba nicht funktioniert“: münchner immobilien fokus diskutiert über die Wohnbaupolitik
„Bunkerbau statt Wohnungsbau? Wie ernst nimmt die Politik die Neubaukrise wirklich?“ lautete das Thema des münchner immobilien fokus, der am 28.10.2025 im Literaturhaus stattfand. Zu der Veranstaltung geladen hatten Thomas Aigner, Gesellschafter-Geschäftsführer der Aigner Immobilien GmbH sowie Agnes Fischl, Steuerberaterin, Fachanwältin für Erbrecht und Geschäftsführerin von ACCONSIS. Auf dem Podium diskutierten der erste Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion, Manuel Pretzl, die erste Vorsitzende des Mietervereins München, Beatrix Zurek sowie der Sprecher der Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht, Christian Stupka. Eröffnet wurde das Thema durch einen Impulsvortrag von Albert Fittkau, Leiter des Münchner Bewertungsamtes und Vorsitzender des Gutachterausschusses über das Instrument der „Sozialgerechten Bodennutzung“ (SoBoN).
„Müssen wir nicht wieder etwas zurück von den Vorgaben der SoBoN 21“? Die Frage von Albert Fittkau, die er als Abschluss seines Vortrages stellte, bildete zugleich den Auftakt für die Podiumsdiskussion, bei der es zum Teil sehr hitzig zuging. So war Christian Stupka der Auffassung, dass nicht die SoBoN an sich das Problem sei, sondern dass die Stadt mit Bebauungsplänen nicht fertig werde. Jedes Referat müsse da „mitquaken“. Zudem überfrachte man das Bauen: Während man damals beim Bau des Olympiageländes vier Seiten Satzung und Begründung hatte, wären es heute zum Teil über 500 – auch wegen überbordender Anforderungen an die technische Ausstattung. „Eine 3-Zimmer-Wohnung muss über 70 Steckdosen haben.“ Diese Ausuferung sei „krank“, so Stupka.
Für eine Neuausrichtung der SoBoN mit einer geringeren Quote an gefördertem Wohnraum hingegen plädierte Manuel Pretzl und warf der Stadtregierung vor, ihre Hausaufgaben nicht zu machen. Man habe in Sachen Wohnungsbau in den vergangenen fünf Jahren sehr viel Zeit verloren. „Dieter Reiter (Anm.: Oberbürgermeister der Stadt München, SPD) hat eingesehen, dass die SoBoN 21 nicht funktioniert. Passiert ist aber nichts, weil man sich im Stadtrat nicht einigen kann.“
Auch Thomas Aigner kritisierte, dass der Stadtrat sich aus Eigeninteresse nur auf die Bestandsmieter konzentriere und nicht auf Wohnraumschaffung. „Wenn ich Mehrheiten in München will, mache ich Politik für Mieter. Dadurch sammle ich Stimmvieh, aber es ändert sich nichts.“ Ihn ärgere darüber hinaus, dass alle die, die neu in die Stadt kämen, keine Lobby hätten. Mieterschutz sei reiner Bestandsschutz. „Aber wir können ja nicht sagen: Wir brauchen keinen Zuzug. Die Welt verändert sich, die Nachfrage konzentriert sich auf die Großstädte, das können wir nicht aufhalten. Wir brauchen daher Wohnraum. Die Politik kann nicht in der Mietregulierung die einzige Lösung sehen. Es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, Metropolregionen als Ganzes zu entwickeln und zwar bundesweit. Denn das Problem von zu wenig Wohnraum hat ja nicht nur München.“
Beatrix Zurek befürwortete die bestehenden Regularien. Sie seien wichtig, um das Miteinander zu regeln und für ein Gleichgewicht zwischen Mieter und Vermieter zu sorgen, betont aber auch, dass nur ein bis zwei Prozent der Mieterberatungen vor Gericht landeten. Zudem verteidigte sie die Bautätigkeit der Stadt: „Sobald das Thema angesprochen wird, kommt es zu Bürgerprotesten. Jeder will bezahlbaren Wohnraum, aber keiner bei sich vor Ort.“ Der Widerstand der Bürger sei daher ein Problem, wenn es um die Wohnraumschaffung ginge.
Agnes Fischl wies beim Thema Mieten darauf hin, dass die Finanzverwaltung Vermieter, die sozial vermieten, blockiere. „Die Verwaltung zwingt Vermieter, die Mieten zu erhöhen, wenn sie zu niedrig sind. Das kann ja eigentlich nicht sein!“
Prestigeprojekte statt Lösungen
Moderator Sebastian Krass wollte von Agnes Fischl wissen, wie sie zum geplanten Verkauf des Grundstücks des ehemaligen Strafjustizzentrums an der Nymphenburger Straße stehe. Sei dies die richtige Entscheidung? „Für den Freistaat ist das der richtige Weg, sicher. Aber das Problem ist doch: Früher wurden die eigenen Sozialwohnungen alle verkauft. Und jetzt geht das mit diesem Verkauf im Grunde weiter. Das ist doch nicht hinnehmbar“, bemängelte Agnes Fischl.
Beatrix Zurek kritisierte, dass das Grundstück meistbietend „verscherbelt“ werden solle, anstatt dort Sozialwohnungen zu bauen. Das wollte Thomas Aigner so nicht stehen lassen. Es werde nichts „verscherbelt“, sondern durch den Verkaufserlös werde der Freistaat in die Lage versetzt, Sozialwohnungen zu bauen, womöglich sogar deutlich mehr an anderen Stellen im Land. Im Übrigen hätte die Stadt München 2022 für immens viel Geld das alte Rischart-Gelände gekauft. „Bis 2025 hätten hier eigentlich rund 100 Wohnungen entstehen sollen, passiert ist nichts. Bevor man dem Freistaat erklärt, was er zu tun hat, soll man lieber mal seine eigenen Hausaufgaben machen.“
Mehrfach wiesen die Diskutanten auf die Instrumentalisierung des Wohnraummangels durch politische Akteure hin. Neben dem Kauf des Rischart-Geländes seien es eben auch die verschärften Regeln der SoBoN, die eher Prestigeprojekte seien, anstatt echte Lösungsansätze. Mit Regulatorik wie der SoBoN könne man aber keinen Mangel beheben, merkte Manuel Pretzl an. „Das hat schon in Kuba nicht funktioniert.“
Nach der Podiumsdiskussion sorgte das Thema zwischen Zuhörern und Teilnehmern noch lange für Gesprächsstoff.
Im kommenden Jahr geht die Veranstaltungsreihe münchner immobilien fokus in eine neue Runde. Der genaue Termin sowie das Thema werden rechtzeitig bekannt gegeben.
