Kommentar: Was das Stadtbild wirklich zeigt
Während über Sicherheit, Sauberkeit und Leerstand gestritten wird, liefern Passantendaten längst ein klares Bild urbaner Vitalität, weiß Nico Schröder, Geschäftsführer der hystreet.com GmbH und Datenexperte:
„Seit der Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz über das „Stadtbild deutscher Städte“ wird bundesweit diskutiert: über Sicherheit, Sauberkeit, Migration und zunehmend auch über Leerstand, Handel und Aufenthaltsqualität. Schnell zeigt sich dabei deutlich, dass die Debatte hoch emotional ist, aber selten faktenbasiert. Denn ob eine Stadt wirklich lebendig, sicher und attraktiv ist, lässt sich messen – an den Menschen, die sie täglich besuchen. An mehr als 350 Standorten in Deutschland werden anonymisierte Passantenströme im öffentlichen Raum erfasst. Diese Daten, die auch vom Statistischen Bundesamt (Destatis) genutzt werden, zeigen, wo Innenstädte belebt sind und wo die Frequenzen sinken.“
Fakten statt Baugefühl
„Die aktuelle Stadtbild-Debatte zeigt, wie stark Wahrnehmung und Realität auseinandergehen können. Was als ‚unsicher‘ oder sogar ‚verödet‘ gilt, ist häufig eine Momentaufnahme. Wetter, Saison, Baustellen oder auch geändertes Mobilitätsverhalten beeinflussen, wie viele Menschen sich in Innenstädten bewegen. Erst über längere Zeiträume wird sichtbar, wie sich der Wandel im Einzelhandel, neue Wohnnutzungen oder kulturelle Belebungsmaßnahmen tatsächlich auswirken. Entsprechende Daten aus Laserscannern liefern genau hier Transparenz und machen sichtbar, wann Menschen kommen, wie lange sie bleiben und ob sie wiederkehren. Daraus ergibt sich ein realistisches Bild urbaner Vitalität – und eine Grundlage, um Stadtentwicklung, Handel und Politik faktenbasiert zu gestalten, statt auf subjektive Eindrücke zu reagieren.“
Lebendige Innenstädte schaffen Sicherheit und Identität
„Innenstädte sind weit mehr als Konsumorte. Wo viele Menschen zusammenkommen, steigt das Sicherheitsgefühl, einfach, weil soziale Kontrolle entsteht. Gleichzeitig wächst die Aufenthaltsqualität: Menschen verweilen länger, konsumieren mehr und nehmen ihre Umgebung als lebendig und positiv wahr. Dieser Zusammenhang lässt sich in allen Stadtgrößen beobachten. Aktuelle Auswertungen zeigen, dass sich die Vitalität einer Stadt heute objektiv erfassen lässt, unabhängig von ihrer Größe oder Lage. Lebensqualität hängt damit nicht von Einwohnerzahlen ab, sondern davon, wie stark sich eine Stadt, als gemeinsamer Lebensraum versteht und wie gut sie erkennt, wann und warum Menschen kommen. Attraktive Innenstädte fördern Begegnung, Austausch und Zugehörigkeit. Sie schaffen Identität. Und dort, wo viele Menschen sind, entsteht Sicherheit, nicht als Gefühl, sondern als soziale Realität.“
Leerstand verstehen und nicht nur beklagen
„Der Leerstand ist auch in einigen deutschen Innenstädten sichtbar, seine Ursachen sind es nicht. Hinter jedem leeren Schaufenster stehen komplexe Entwicklungen: verändertes Konsumverhalten, Umbauten, die auf ihren Bauantrag warten, neue Mobilitätsmuster oder die Entwicklung neuer Nutzungskonzepte. Hier helfen objektive Daten, Ursachen von Symptomen zu trennen. Passantenfrequenzen zeigen, wo sich Investitionen lohnen, welche Lagen an Attraktivität verlieren oder wo neue Entwicklungen Potenzial schaffen. Kommunen und Handelsverbände, die diese Daten auswerten, können Leerstand gezielt bekämpfen, nicht mit kurzfristigen Maßnahmen, sondern mit nachvollziehbaren Strategien, die auf Evidenz beruhen. Ein positives Beispiel sind hier die Städte, die sich unter der Plattform LeAn Leerstand und Ansiedlung zusammengetan haben, um eine gemeinsame Strategie angepasst für ihre Stadt zu entwickeln.“
Innenstädte als Gradmesser gesellschaftlicher Resilienz
„Wie lebendig eine Stadt ist, sagt viel über ihre soziale und wirtschaftliche Stabilität aus. Nach der Pandemie haben sich viele Zentren neu erfunden, mit Wochenmärkten, Pop-up-Konzepten, Kulturveranstaltungen oder Open-Air-Angeboten. Andere kämpfen weiterhin mit einer Vision für ihre Stadt von morgen. Daten zu Passantenzahlen und -bewegungen helfen hier, diese Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und ihre Wirkung zu verstehen und zu bewerten. Sie schaffen Transparenz und damit die Grundlage für Resilienz. Denn nur wer weiß, wie sich sein urbanes Herz tatsächlich entwickelt, kann es stärken. Innenstädte sind die Visitenkarte einer Stadt“
Transparenz als Grundlage für Zukunftsfähigkeit
„Die Stadtbild-Debatte offenbart vor allem eines: Wahrnehmung ist nicht gleich Realität. Während manche Städte als strukturschwacher gelten, zeigen die Daten ein stabiles oder gar wachsendes Besucherauskommen. Andere unterschätzen den Handlungsbedarf, weil Rückgänge zunächst unbemerkt bleiben. Objektive Messungen schaffen hier Klarheit – für entsprechende Kommunen, Stadtplaner, den Handel und die Politik gleichermaßen. Passantenfrequenzen sind keine abstrakte Kennzahl, sondern der direkteste Ausdruck urbaner Lebendigkeit. Sie zeigen, wie sicher, wirtschaftlich attraktiv und sozial durchgemischt eine Stadt tatsächlich ist. In lebendigen Innenstädten fühlen wir uns wohl, unabhängig von ihrer Größe. Attraktivität entsteht durch Präsenz und Bewegung. Und genau diese lässt sich messen.“
Autor: Nico Schröder
Nico Schröder ist Geschäftsführer der hystreet.com GmbH und Experte für Standort- und Handelsentwicklung. Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der Diplom Immobilienwirt mit den Veränderungen des stationären Einzelhandels und der Zukunft urbaner Räume. Sein Fokus liegt darauf, Passantenfrequenzen als objektive Grundlage für die Bewertung und Planung von Innenstädten zu nutzen. Er sieht in Datenanalysen einen Schlüssel, um wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen faktenbasiert zu verstehen und zu gestalten.

 
                                     
                                             
                                             
                                             
                                             
                                            