Die EU-Taxonomie hat weitreichende Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit von Immobilien und beeinflusst massiv deren Wertentwicklung. Immobilieneigentümer sollten umgehend prüfen, welche Optionen sich ihnen im Bestand bieten.
Massiv gestiegene Nebenkosten, zunehmender Handwerkermangel, volatile Förderprogramme und ein deutlich verändertes Finanzierungsumfeld …
Die Liste an Herausforderungen im Immobilienmarkt ist derzeit lang. Zusätzlich sorgt die EU-Taxonomie mit ihrer Lenkungsfunktion in Richtung Klimaneutralität für erheblichen Investitionsbedarf in der Immobilienbranche. Eigentümer sollten angesichts dieser Gemengelage auf der Hut sein: Verfehlen sie mit ihrem Bestand die vorgegebenen Klimaschutzziele oder erfüllen die daraus entstehende Marktanforderungen nicht, drohen negative Wertentwicklungen. Sie sollten umgehend prüfen, welche Optionen sich ihnen im Bestand bieten.Mit der Taxonomie hat sich die EU zum Ziel gesetzt, Kapitalflüsse hin zu nachhaltigeren Investitionen zu leiten. Der Immobiliensektor, der für mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen zuständig ist, muss einen spürbaren Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten. Für Deutschland sieht der finale Entwurf der EU-Gebäuderichtlinie vom 15. Dezember 2021 bei Bestandsimmobilien für öffentliche und Nicht-Wohngebäude bereits bis 2030 einen energetischen Mindeststandard von Klasse E vor, für Wohngebäude gilt dies bis 2033 - so weit, so gut.
Einige europäische Nachbarstaaten gehen noch entschiedener vor: In Frankreich etwa ist der Energieverbrauch für Wohngebäude ab 2028 gedeckelt, bei Überschreitung der Energieeffizienzklasse E stehen Strafen oder Sanierungsauflagen an. In den Niederlanden müssen Bürogebäude seit dem 01.01.2023 mindestens eine Energieeffizienzklasse von C aufweisen. Auch wenn eine europaweite Harmonisierung der Energieeffizienzklassen noch aussteht, die Richtung steht fest – auch für Deutschland.
Bestandsaufnahme – dringend benötigt
Auch wenn der in Deutschland politisch festgelegte zeitliche Rahmen bis 2030/2033 noch lang erscheint, übt die EU-Taxonomie bereits mit Ablauf jedes Jahres steigenden Druck auf die Immobilienbranche aus: Werden die Mindeststandards nicht im Zeitablauf erreicht, führt das allein schon zu sukzessiven Wertverlusten. Eigentümer von Immobilien sind daher gefordert, schnellstmöglich eine Bestandsaufnahme ihres Immobilienportfolios unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vorzunehmen. Ein erster wichtiger Schritt hierbei kann es sein, mithilfe passender Dienstleister und/oder Software den aktuellen CO2-Footprint der eigenen Gebäude zu berechnen. Das Ziel sollte sein, eine vollständige Kosten-Nutzen-Analyse energetischer Maßnahmen (Dekarbonisierungspfad inkl. Maßnahmen- u. Kostenplanung) als Grundlage für weitere Entscheidungen zu erhalten. Mit Abschluss einer solchen Bestandsaufnahme und -analyse sollten Eigentümer daher wissen:1. Welche Immobilien aus dem eigenen Portfolio – gemäß den Vorgaben der EU-Taxonomie wirtschaftlich sinnvoll im verbleibendem Zeitfenster – ertüchtigt werden können, um den CO2-Austoß wie gefordert zu verringern.
2. Bei welchen Objekten eine Veräußerung geprüft werden sollte, da ihre energetische Modernisierung wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheint und auch, um die CO2-Reduktion im Portfolio zu refinanzieren.
Aktuell sind allerdings noch zu wenige Standards formuliert und der Gesetzgeber lässt Fragen zum Teil immer noch unbeantwortet. Folglich kann es ratsam sein, auf eine fachliche Expertise in Form einer Beratung oder Software zurückzugreifen, die insbesondere bei der Frage nach energetischen Optionen sowie korrespondierenden Kosten helfen kann.
Einflussfaktoren auf die Entscheidung
Bei der strategischen Überlegung zwischen Klimaertüchtigung oder Verkauf sollten die bereits genannten Faktoren, wie die Entwicklung der Material- und Arbeitskosten, bzw. deren Verfügbarkeit, eine Rolle spielen. Auch wenn sich die Lage aufgrund zurückgestellter Projekte/Vorhaben aktuell tendenziell entspannt, kann dennoch schnell ein zeitlicher Handlungsdruck in Richtung 2030/2033 entstehen und rasch zu Engpasssituationen führen. Einflussfaktoren gibt es viele:1. Die wechselhafte Förderpolitik bringt weitere Unsicherheiten mit sich, was eine solide Investitionsplanung erschwert.
2. Die Auswirkungen der gestiegenen Nebenkosten, die als Indikator des energetischen Standards einer Liegenschaft herangezogen werden können, sind neu zu bewerten. Sie rücken verstärkt in das Bewusstsein der Mieterinnen und Mieter und haben wesentlichen Einfluss auf die zukünftige Marktattraktivität einer Immobilie.
3. Gehen Immobilieneigentümer von weiter steigenden Zinsen aus, verteuern sich Modernisierungsvorhaben mit Fremdfinanzierungsbedarf. Über Mietsteigerungen könnte eine Kompensation erfolgen, dies belastet allerdings die Mietentragfähigkeit (warm) der Mieterinnen und Mieter. Zudem korrelieren steigende Zinsen in aller Regel negativ mit den angebotenen Kaufpreisen – die Frage nach dem „richtigen“ Verkaufszeitpunkt drängt sich auf.
4. Wenn sich abzeichnet, dass sich die CO2-Reduktion eines Objektes nicht mehr lohnt bzw. Ressourcen oder Know-how für eine Modernisierung fehlen, sollte man sich verstärkt mit einem Verkauf auseinandersetzen. Und das zeitnah. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der zur Veräußerung stehenden, energetisch nicht mehr zeitgemäßen Liegenschaften zunehmen wird. Dadurch werden die Verkaufspreise umso mehr unter Druck geraten, je näher das Datum der anvisierten Klimaneutralität rückt.
5. Ob ein Objekt letztlich zum Stranded Asset wird, hängt natürlich nicht nur vom energetischen Zustand des Gebäudes ab, sondern auch von seiner Lage. Gute Lagen können höhere Kosten einer Modernisierung rechtfertigen. In schlechteren Lagen hingegen können Aufwand für Ertüchtigung mit dem Renditepotenzial des Assets oder auch vergleichbarer Alternativanlagen schnell in ein Missverhältnis geraten.
Auch wenn manche Anforderungen im Zuge der EU-Taxonomie erst in einigen Jahren greifen – wer glaubt, die Zeit zum Handeln liege noch in weiter Ferne und Abwarten sei das Gebot der Stunde, könnte einen folgenschweren Fehler begehen. Erste Effekte sind bereits am Markt spürbar. Deshalb ist es ratsam nun schnell zu entscheiden, wo es Sinn ergibt, die betroffenen Immobilien selbst energetisch aufzuwerten oder besser rasch zum Verkauf zu stellen.