Wohnen | Experten

ABG Real Estate Group: Ulrich Höller zu aktuellen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Immobilienmärkten

Frankfurt am Main, 26.06.2025

Neue deutsche Bundesregierung: u.a. Bürokratieabbau, Investitionssicherheit, Wohnraummangel, Investitions-Booster, Bau-Turbo und Mietpreisbremse

  • Der Regierungswechsel muss nun zeigen, dass er mehr ist als ein Stimmungswechsel. Die angekündigten Maßnahmen zu Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigung und zu steuerlichen Impulsen sind überfällig. Jetzt entscheidet die Umsetzungsgeschwindigkeit, ob Blockaden in der Wirtschaftspolitik Deutschlands und insbesondere in der Bau- und Immobilienpolitik endlich aufgebrochen werden. Aus Sicht der Immobilienwirtschaft ist es ein positives Signal, dass führende Regierungsvertreter – wie beim „Tag der Immobilienwirtschaft“ des ZIA in Berlin – die Herausforderungen offen ansprechen und zugleich konkrete Reformschritte benennen.
  • Die Immobilienwirtschaft steht bereit, Verantwortung zu übernehmen. Dafür braucht sie klare Spielregeln, Vertrauen, Planungsfreiraum und Investitionssicherheit.
  • Der anhaltend hohe Zuzug sowie strukturelle demografische Verschiebungen erhöhen weiter den Druck auf die Wohnungsmärkte. Politischer Konsens über eine Wohnbauoffensive ist vorhanden, entscheidend wird auch hier die konkrete Umsetzung und die Setzung der Rahmenbedingungen sein.
  • Auch in der Steuerpolitik wurden Impulse gesetzt. Die Einführung eines Investitions-Boosters mit 30 % degressiver Abschreibung bis 2027 sowie die in fünf Stufen vorgesehene Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 sind richtige Signale zur Mobilisierung privaten Kapitals. Doch es braucht mehr Mut für eine echte Steuerwende, so etwa gezielte Sonderabschreibungen, um vor allem das Mietwohnungssegment zu reaktivieren.
  • Im Planungsrecht und bei der Verfahrensbeschleunigung sind angekündigte Reformen wie §246e BauGB, Genehmigungsfiktionen, Stichtagsregelungen und vereinfachte Umweltprüfungen zu begrüßen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist der Lackmustest, denn ohne Verbindlichkeit und Tempo bleibt der Bau-Turbo ein Placebo. Parallel bedarf es eines Abbaus kostentreibender Vorschriften: Die unfassbare Ausweitung einer Vervierfachung der Bauvorschriften und -regelungen innerhalb der letzten 15 Jahre hat das Bauen in Deutschland ineffizient gemacht. Eine übernotwendige Reduktion von DIN-Normen, ein praxistauglicherer Umgang mit Artenschutzauflagen sowie flexiblere Bauvorschriften könnten die Baukosten deutlich senken.
  • Im Mietrecht wurde die Mietpreisbremse bis 2029 verlängert. Sie bleibt jedoch nur ein Instrument zur kurzfristigen Marktberuhigung, langfristige Resilienz kann sie nicht leisten. Eine Verlängerung bzw. Ausweitung der Mietpreisbremse ist ein investitionsfeindliches Signal. Das Investitionsklima bleibt somit fragil. Wir brauchen eine Politik, die keine Symptome bekämpft, sondern neue Angebote ermöglicht, statt bestehende zu deckeln.

Marktsituation Immobilien Deutschland: u.a. Geopolitik, Investorenverlagerung, Kapitalmobilisierung, Zinsdruck, Reformbedarf und Wohnraummangel

  • Internationale Unsicherheiten prägen weiterhin das wirtschaftliche Umfeld: Die US-Wahl 2024 mit dem sogenannten „Trump-Risiko“, geopolitische Konflikte und Handelshemmnisse wirken sich negativ auf die globale Planungssicherheit aus. Gleichzeitig führt die wachsende Unsicherheit für Investitionen in den USA wieder erkennbar zu einem verstärkten Interesse sowie zur Investitionssallokation globaler Investoren in Europa und damit insbesondere auch wieder in Deutschland.
  • Internationale Fonds bleiben vorerst zurückhaltend – doch erstes Kapitalinteresse ist spürbar, da der deutsche Markt wieder Reformdynamik erkennen lässt. Zusätzliches Momentum könnte durch Kapitalumschichtungen aus den USA und die wachsende Zuversicht in die neue Bundesregierung entstehen. Auch deutsche Investoren bewegen sich wieder: Family Offices und Private Wealth agieren zunehmend selektiv und chancenorientiert.
  • Trotz sinkender Inflation bleibt das Zinsniveau ein Bremsklotz für Investitionen. Die Bundesregierung sollte den Schuldenanstieg nicht unterschätzen – steigende Anleiherenditen werden das Finanzierungsumfeld weiter verschärfen. Nach der jüngsten Zinssenkung der Europäischen Zentralbank im Juni erwarte ich zunächst eine längere Pause für weitere Zinsschritte. Durch das neue Investitionspaket der Bundesregierung werden Staatsausgaben und Schuldenquote steigen, was voraussichtlich zu einer anhaltend hohen Rendite auf Bundesanleihen führen kann. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liegt aktuell bei 2,56 % und könnte bis knapp unter 3,0 % steigen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Renditeerwartungen an Immobilien.
  • Wir sehen ein anhaltend niedriges Transaktionsvolumen Das Gesamtinvestitionsvolumen lag im vergangenen Jahr mit 36 Mrd. Euro immer noch deutlich unter dem 10-Jahres-Durchschnitt (rd. 74,5 Mrd. Euro). Insbesondere der Büroinvestmentmarkt ist mit nur 5 Mrd. Euro dabei nochmals eingebrochen. Das 1. Quartal 2025 zeigt aber einen leichten Aufwärtstrend.
  • Im Bürovermietungssegment verstärkt sich die Polarisierung. Die Leerstände nahmen im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 24 % zu – auch in führenden Büromärkten. Gleichzeitig stieg die Spitzenmiete in fast allen Hauptmärkten (z.B. in Frankfurt auf deutlich über 50 Euro/m²) und dies mit anhaltender Dynamik. Frankfurt war im ersten Quartal 2025 zudem Spitzenreiter beim Flächenumsatz mit 204.000 m² – ein Plus von 70 % zum Vorjahresquartal und das historisch beste Jahresauftaktquartal seit Beginn der Erfassung. Sicherlich ein Ausreißer, aber auch ein erstes Signal.
  • Gesucht sind weiterhin Top-Lagen mit erstklassiger Infrastruktur, spannenden Arbeitswelten und ESG-Konformität. In B- und C-Lagen hingegen sind teils zweistellige Leerstände zu verzeichnen. Umnutzungen werden hier zunehmend zum strategischen Ausweg.
  • Im Segment Wohnen bleibt die Nachfrage stabil, steigt sogar wieder an, die Neubautätigkeit bleibt aufgrund der Rahmenbedingungen herausfordernd. Aufgrund der dadurch weiterhin niedrigen Wohnungsbautätigkeit (knapp über 200.000 WE p.a.) wird sich der Wohnraummangel weiter verschärfen. Die Hoffnungen liegen auf dem gerade verabschiedeten „Bau-Turbo“ als Wendepunkt.

ABG Real Estate Group: u.a. Ausbau des Wohnbausegments, strategische Fokuserweiterung auf Wohnbau, Premium-Positionierung, Referenzprojekte für Revitalisierung und Denkmalpflege

  • Prime-Office ist die DNA und besondere Expertise der ABG Real Estate Group. Die ABG setzt bewusst Maßstäbe im hochwertigen Bürosegment und zeigt eine gute Detailentwicklung bei prominenten Projekten. Künftig liegt der strategische Fokus zusätzlich auch auf dem Wohnungsbau.
  • Das Projekt CENTRAL PARX in Frankfurt steht dabei exemplarisch für die Kompetenz bei der anspruchsvollen Revitalisierung einer denkmalgeschützten Bestandsimmobilie. Der Gebäudekomplex wurde 1965 von Sep Ruf entworfen und diente über Jahrzehnte als Sitz der BHF-Bank. Zuletzt konnten langjährige Großvermietungen an die renommierten Anwaltskanzleien White & Case und Noerr erzielt werden, womit bereits zum Baustart die Vermietungsquote bei über 85 % lag. Das Projektvolumen beläuft sich auf rund 375 Mio. Euro. Als Lead Arranger stellte die DZ HYP bereits im Krisenjahr 2024 gemeinsam mit einem Konsortium aus mehreren Volksbanken eine Hochbau-Finanzierung über 200 Mio. Euro bereit. Mit seiner Lage am Rothschildpark im Frankfurter Bankenviertel und der ESG-Konformität gilt das Vorhaben als Referenzprojekt. Die Fertigstellung ist für 2028 vorgesehen.
  • Auch das PALAIS ROSSMARKT markiert einen wichtigen Meilenstein. Das 1903/1904 errichtete Gebäude war Sitz der Deutschen Bank. Mit einem Investitionsvolumen von über 250 Mio. Euro wird das denkmalgeschützte Ensemble umfassend revitalisiert. Die historische Substanz wird nicht nur bewahrt, sondern sorgfältig als identitätsstiftendes Element ins Nutzungskonzept integriert. So bleiben z.B. der Frankfurter Saal – ein holzvertäfelter Sitzungssaal – und das historische Präsidentenzimmer erhalten und dokumentieren die enge Verbindung zur Finanz- und Stadtgeschichte. Vorgesehen sind ESG-Zertifizierungen, die Fassade aus Sandstein wird instand gesetzt. Ein gläserner Dachaufbau und begrünte Dachflächen ergänzen die neue architektonische Handschrift. Die Planung verantwortet Volker Staab, der sich für seinen behutsamen Umgang mit Denkmalschutzsubstanzen einen Namen gemacht hat (in Frankfurt z.B. mit dem Um- bzw. Neubau des Jüdischen Museums). Der Baubeginn ist für Ende 2026 vorgesehen, die Fertigstellung für 2029.
  • Der Wohnungsbau entwickelt sich dabei zunehmend zu einem weiteren Fokusfeld der ABG. Mit Projekten wie den Mariengärten in München (über 500 WE, laufendes Bebauungsverfahren, Baubeginn ab 2027) wird dieses Engagement in naher Zukunft sichtbar weiter ausgebaut. Die ABG engagiert sich verstärkt auch in der Konversion von nicht mehr genutzten Büroflächen zu Wohnraum, Mixed-Use-Projekten oder alternativen Nutzungen.
  • Das Investment und Asset Management für Dritte entwickelt sich zur weiteren wichtigen Wachstumssäule der Gruppe. Inzwischen werden insgesamt aktuell 3,4 Mrd. Assets under Management betreut, weiteres Wachstum mit Mandaten wird 2025/2026 erwartet.

Blick nach vorne

  • Die Stimmung im Markt und in neuesten Umfragen zeigt eine Trendwende, die Branche schöpft Zuversicht! Dennoch ist die Stimmung noch besser als die Lage, Profitabilität bleibt beim aktuellen Kostenniveau für Finanzierung und Bau die große Herausforderung. Investments in Bestandsgebäude und laufenden Cash-Flow nehmen aber erfreulicherweise wieder zu. Für das Neubausegment erwarte ich auch im laufenden Jahr wenig Wiederbelebung.
  • Insgesamt ist ein „Dreiklang“ zu erwarten: das Jahr 2025 ist ein Jahr der „Marktberuhigung“, für 2026 kann mit positiver „Erholung“ gerechnet werden, ansteigende und normalisierte Marktaktivität mit Wachstum sehe ich ab 2027.