Die technische Gebäudeausrüstung als unterschätzter Schlüsselakteur der Circular Economy
Marktkommentar von Björn Pelzer, Projektleiter Nachhaltiges Bauen bei LIST Eco
Maßnahmenpakete, neue Lösungen und scharfe Diskussionen in der Fachdebatte rund um das große Stichwort ESG überschlagen sich. Denn der Druck steigt – vor allem auch in der Immobilienbranche. Die vereinbarten Klimaziele unter anderem des Green Deals der Europäischen Union rücken immer näher. Dabei ist die Circular Economy ist eines der zentralen Konzepte im Rahmen der Vereinbarung und zielt darauf ab, Wirtschaft und Umwelt in Einklang zu bringen – vor allem durch die Minimierung von CO2-Emissionen und den effizienten Umgang mit Ressourcen. Dabei dreht sich die vorherrschende Diskussion vorrangig um nachhaltige Baumaterialien, Bodenbeläge und Begrünungskonzepte – alles fraglos wichtige Hebel. Doch ein entscheidender Aspekt kommt in der Betrachtung oft zu kurz: die Technische Gebäudeausrüstung (TGA). Dabei entpuppt sich gerade diese als eine der wichtigsten Stellschrauben für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft.
Mehr als nur Funktionalität
Die TGA umfasst dabei alle technischen Einrichtungen eines Gebäudes, die zur Sicherstellung der Funktionalität und des Betriebs beitragen. Dazu gehören unter anderem Lüftungs- und Heizungsanlagen, Klimasysteme, elektrische Installationen und Sanitäranlagen. Während die TGA lediglich ein bis vier Prozent der Gesamtmasse eines Gebäudes ausmacht, tragen ihre Systeme jedoch erheblich zur Emissionsbilanz bei. Insbesondere die grauen CO2-Emissionen, die bei der Herstellung von Kupfer, Aluminium, seltenen Erden und anderen Rohstoffen entstehen, sind dabei nicht zu vernachlässigen:
Denn ist ihr Anteil an der Gesamtmasse auch noch so klein, zeigen Studien, dass die TGA bis zu 50 Prozent der gesamten grauen Emissionen in energieeffizienten Gebäuden ausmachen kann. In Gebäudetypen wie Laboren oder Gebäuden mit hohem Holzanteil, wo die architektonische Gestaltung bereits auf CO2-Reduktion ausgelegt ist, fällt der relative Anteil der TGA sogar noch stärker ins Gewicht.
Ein erster Anlaufpunkt zur Optimierung wären vor allem Großanlagen wie Heiz- und Kühldecken, Lüftungssysteme sowie generelle Heizungsanlagen – Komponenten, die oft auf energieintensive Herstellungsverfahren angewiesen sind.
Hierin liegt das Potenzial: Durch die Berücksichtigung von Zirkularitätsaspekten bei der Planung, Auswahl und Integration von TGA-Komponenten durch Planer und Architekten können Bauherren und Investoren erhebliche ökologische Vorteile erzielen.
Perspektivwechsel notwendig
Doch auch die Bewertungsmethoden, um die Nachhaltigkeit von Gebäuden umfassend begreifen zu können, müssen erweitert werden. Denn die aktuellen Methoden der Ökobilanzierung, wie sie in Zertifizierungssystemen wie der DGNB oder dem QNG zum Einsatz kommen, berücksichtigen die grauen Emissionen der TGA oft nur pauschal. Es bedarf deshalb einer detaillierteren Berechnung und Nachhaltigkeitsbewertung, um die langfristigen Auswirkungen von TGA-Systemen auf Umwelt und Ressourcen umfassend erfassen zu können. Diese Bewertung sollte neben den CO2-Emissionen auch die Rückbaubarkeit und das Recyclingpotenzial der verbauten Materialien berücksichtigen.
Ein Beispiel für diesen Perspektivwechsel ist die Bewertung von Rohrleitungen. Denn Kunststoffrohre haben zwar in der Herstellung eine deutlich niedrigere CO2-Bilanz als Kupferrohre – bis zu 50 Prozent –, sind jedoch am Ende ihrer Lebensdauer oft nur thermisch verwertbar, während Kupfer wiederaufbereitet und stofflich recycelt werden kann. Solche Überlegungen sind essenziell, um den Ressourcenverbrauch in einer zirkulären Wirtschaft zu minimieren und die wertvollen Rohstoffe der TGA länger im Kreislauf zu halten.
Für die entsprechende Dokumentation ist dann auch eine entsprechend präzise Datengrundlage notwendig. Das Building Information Modeling (BIM) bietet hierfür eine Plattform, um den Lebenszyklus von Gebäuden und deren technischen Systemen effizient zu steuern und die Ökobilanzierung sowie Zirkularitätsbewertung in Echtzeit zu erstellen. Hier können auch heute bereits Kabeltrassen, Lüftungskanäle und Rohrleitungen erfasst und modelliert werden – einzelne Schrauben, Befestigungssysteme oder Kabel sind hingegen bisher noch schwer abzubilden. Die neuen Regularien, wie die Bauproduktenverordnung ab 2027, machen die Integration von BIM und die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen (EPDs) unverzichtbar. Diese Werkzeuge schaffen einen entscheidenden Hebel, um die Wiederverwendung und das Recycling in der technischen Gebäudeausrüstung zu fördern und damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit von Gebäuden zu leisten.