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Immobilien in Schieflage – Kreditinstitute rechnen nicht mit baldigem Ende der Immobilienkrise

Frankfurt am Main, 27.06.2025
  • Insolvenzrisiken greifen auf Bestand über: 72 Prozent der Kreditinstitute rechnen mit mehr Insolvenzen im kommenden Jahr
  • Kreditvergabekriterien noch weiter verschärft
  • Immobilienmarkterholung frühstens in drei bis fünf Jahren erwartet
  • Büro- und Einzelhandelsimmobilien besonders risikobehaftet

Immobilienfinanzierende Kreditinstitute blicken überwiegend pessimistisch auf den deutschen Immobilienmarkt: 75 Prozent der Institute bezeichnen die Lage als negativ, lediglich 25 Prozent als stabil. Eine positive Entwicklung erwarten viele Finanzierer frühstens in drei (50 Prozent) bis fünf Jahren (85 Prozent).

Vor dem Hintergrund des eingetrübten gewerblichen Immobilienmarktumfeldes gehen die Institute nun auch bei Bestandsimmobilien von mehr Insolvenzen innerhalb der nächsten zwölf Monate aus, wie 75 Prozent der Kreditinstitute angeben. Nur acht Prozent gehen davon aus, dass sich die Zahl der Insolvenzen im kommenden Jahr verringern wird.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Befragung, die EY-Parthenon im zweiten Quartal 2025 unter 36 immobilienfinanzierenden Kreditinstituten in Deutschland durchgeführt hat. Unter den Befragten befinden sich neben großen Privatbanken auch Landesbanken und größere Sparkassen. Erstmals wurden zudem auch insgesamt 20 Kanzleien befragt, die sich schwerpunktmäßig mit immobilienwirtschaftlichen Restrukturierungen befassen. Ihr Blick auf die Problemstellungen der Branche ist unter dem Strich noch einmal pessimistischer als der der Immobilienfinanzierer.

„Die Krise der Immobilienbranche dauert an. Die Bemühungen mancher Marktakteure, den Abschwung auszusitzen laufen nun immer häufiger ins Leere. Ein Überschwappen der Insolvenzwelle auf Bestandsimmobilien ist die Folge“, sagt Jean-Pierre Rudel, Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie. „Mit dem Zinsschock 2022 haben viele den Kopf eingezogen, und seitdem hat sich die Situation nicht verbessert. Bei Immobilien mit fraglichen Marktaussichten wurden die Probleme seither lediglich immer weiter vertagt, was auch eine höhere und teurere Risikovorsorge der Finanzierer nach sich zieht“, sagt Korbinian Gennies, Partner bei EY-Parthenon und ebenfalls Autor der Studie.

Büroimmobilien werden ausgesprochen kritisch gesehen – negativer Stimmungswandel gegenüber Einzelhandelsimmobilien

Bei Büroimmobilien wird weiterhin die stärkste Verschärfung der Krise erwartet. Auch ihre Preisentwicklung wird weiterhin kritisch gesehen: Befand im Vorjahr noch die Hälfte der befragten Kreditinstitute, dass die Preise für Büroimmobilien zumindest stabil bleiben würden, so sank dieser Anteil in der laufenden Umfrage auf 30 Prozent. 70 Prozent gehen von einem weiteren Preisrückgang aus, positive Preisimpulse für Büroimmobilien sieht keines der befragten Kreditinstitute.

„Auslaufende Finanzierungen, die weiterhin zurückhaltende Nachfrage nach Büroflächen und fehlende alternative Nutzungslösungen, insbesondere für Immobilien abseits der A-Lagen, stellen Eigentümer und Finanzierer vor große Herausforderungen“, sagt Gennies.

Ein Stimmungswandel hat sich zudem gegenüber Einzelhandelsimmobilien vollzogen: Fast ein Drittel der befragten Kreditinstitute erwartet für die Nutzungsart Einzelhandel eine Verschärfung der Krise – noch vor einem halben Jahr waren es lediglich rund 14 Prozent. In der aktuellen Umfrage schätzen zudem rund zwei Drittel der Finanzierer die Preisentwicklung als (eher) fallend ein, ein halbes Jahr zuvor waren 60 Prozent von einer stabilen Entwicklung, zehn Prozent gar von einer positiven Tendenz ausgegangen. Diese kritische Sichtweise wird von den Kanzleien sogar noch übertroffen – alle schätzen die Preisentwicklung für Einzelhandelsimmobilien als eher fallend ein.

Auch das Refinanzierungsrisiko für Büro- und Einzelhandelsimmobilien wird von allen befragten Kreditinstituten weiterhin als (sehr) hoch eingeschätzt. Bei Wohnimmobilien von Privatkunden wird das Refinanzierungsrisiko hingegen von 90 Prozent als (sehr) niedrig eingeschätzt. Bei solchen von institutionellen Kunden sehen immerhin 35 Prozent ein hohes Risiko. Bei Wohn-, Hotel- und Logistikimmobilien sehen die Befragten mehrheitlich keine weitere Verschärfung der Krise, was sich auch in der Einschätzung eher steigender Preise – insbesondere von Wohnimmobilien – widerspiegelt.

„Amend & Extend“: Kreditinstitute setzen weiter auf eine Erholung des Marktes

Auf die Frage nach den derzeit am häufigsten gesehenen Lösungen für „Distressed Assets und Gesellschaften“ steht bei 90 Prozent der Kreditinstitute „Amend & Extend“ (frei übersetzt: Verlängerung bei Anpassung der Konditionen) an erster Stelle. Andere Instrumente, wie etwa der freihändige Verkauf (30 Prozent), Insolvenz und Verkauf (30 Prozent), Zwangsversteigerung (5 Prozent) oder das StaRUG-Verfahren (15 Prozent; Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen) werden deutlich seltener gesehen.

„Aktuell setzen die Kreditinstitute vermehrt auf die Chance eines sich erholenden Immobilienmarktes mit deutlich verbesserten Verkaufsbedingungen. Sollte dies allerdings nicht eintreten, müssen für die bestehenden Problemfälle in den Kreditportfolios alternative Lösungen entwickelt werden. Hierzu sollte man sich so frühzeitig wie möglich Gedanken machen“, sagt Jean-Pierre Rudel.

Gesamtwirtschaftliche Lage schlägt aufs Gemüt der Immobilienfinanzierer

Als größte Herausforderung für die Immobilienbranche werden von rund einem Viertel die Finanzierungskosten und Refinanzierungen genannt. Allerdings hat deren Relevanz im Vergleich zur vorigen Umfrage spürbar abgenommen (Vorjahr: 41 Prozent). Gleichzeitig haben andere Herausforderungen an Bedeutung gewonnen: So wird die gesamtwirtschaftliche Lage (Rezession) deutlich kritischer gesehen (Anstieg von 10 Prozent im Vorjahr auf nun 14 Prozent). In diesem Zusammenhang zeichnet sich auch eine Verschärfung des Nachfragerückgangs ab, den nun zehn Prozent der Befragten als größte Herausforderung betrachten (Vorjahr: 7 Prozent). ESG und Nachhaltigkeit hingegen werden weniger herausfordernd gesehen als zuvor (Rückgang von 12 Prozent im Vorjahr auf nun 6 Prozent).

Kreditvergabekriterien erneut verschärft

Das durch die Krise gestiegene Risiko am Markt hat zu einer Neubewertung und Anpassung der Kreditvergabekriterien durch die Kapitalgeber geführt: Während in der Umfrage im Vorjahr noch alle befragten Kreditinstitute angaben, dass die Kreditvergabe (sehr viel) restriktiver sei als vor der Krise, sind es nun rund 90 Prozent. Allerdings haben sich bei 42 Prozent der Kreditinstitute die Kreditvergabekriterien in den vergangenen sechs Monaten nochmals weiter verschärft: Nach den einzelnen Kriterien befragt, geben bei dem Loan-to-Value (LTV) 50 Prozent, der Debt Service Coverage Ratio (DSCR) 60 Prozent, dem Debt Yield 55 Prozent und bei Vorverkaufsquoten 75 Prozent der befragten Kreditinstitute an, restriktiver zu sein als noch vor einem halben Jahr.

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