Nicht Neid, sondern Aufstieg fördern – warum die Debatte um Eigentum in die falsche Richtung läuft
Jüngst erschien in Die Zeit einen Beitrag von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des DIW, gelesen. Man könnte erwarten, dass ein Ökonom in einem Beitrag namens „Die Aufstiegsgesellschaft wohnt zur Miete“ erklärt, weshalb es selbst für leistungsbereite Aufsteiger zunehmend schwierig ist, Wohneigentum zu erwerben – und welche ökonomischen oder politischen Stellschrauben sich drehen ließen, um dies zu ändern. Doch weit gefehlt!
Moralische Anklage statt realistischer Perspektive
Statt Ursachenforschung und Lösungsvorschlägen liefert Fratzscher eine moralisch aufgeladene Gesellschaftsanalyse, die vor allem eines bedient: den alten Reflex, Eigentum zu problematisieren. Schon der erste Satz des Artikels offenbart die Richtung: Eigenheimbesitzer verdankten ihren Besitz „häufig“ nicht der eigenen Leistung, sondern ihren Eltern. Es folgt die Behauptung, Kinder von Mietern hätten „kaum“ eine Chance, selbst Eigentum zu erwerben. Die altbekannten Schlagworte „soziale Gerechtigkeit“ und „generationelle Gerechtigkeit“ dürfen dabei selbstverständlich nicht fehlen – und rasch wird klar, worum es tatsächlich geht: nicht um Wege des Aufstiegs, sondern um eine neue Rechtfertigung, bestehendes Eigentum stärker zu belasten oder gar zu enteignen.
Leistung bleibt außen vor
Natürlich hat jemand mit familiärem Rückhalt bessere Startbedingungen. Das ist eine Binsenweisheit, aber keine gesellschaftliche Ungerechtigkeit per se. Was jedoch fehlt, ist die Anerkennung von Leistung, Disziplin und langfristiger Planung als ebenso entscheidende Faktoren für Eigentumserwerb. Was mich stört, ist die Fokussierung auf Sätze wie: „Wer Wohneigentum erwerben will, braucht vor allem eines: Eltern, die schon welches haben.“ Solche Aussagen stellen jeden unter Generalverdacht, obwohl er sich sein Eigentum auch aus eigener Kraft aufgebaut haben könnte. Außerdem ignorieren sie vollkommen, dass auch viele Eltern von heutigen Eigentümern einst selbst als Mieter in schwierigen Situationen begonnen haben – und ihren Kindern nicht Reichtum, sondern Werte wie Fleiß, Disziplin und Verzicht mitgegeben haben könnten. Dazu haben Statements dieser Art immer den faden Beigeschmack von „versucht es gar nicht erst, ihr schafft es sowieso nicht“, also genau das, was dieses Land nicht braucht.
Herausforderungen für alle statt Gerechtigkeit für wenige
Fratzscher verweist sogar darauf, dass selbst Kinder aus Eigentümerhaushalten heute geringere Chancen auf Wohneigentum haben als frühere Generationen. Das mag stimmen – zeigt aber doch gerade, dass die Herausforderungen für alle zunehmen, nicht nur für die, die nichts erben. Wenn das Ziel sein soll, den Besitzstand anderer zu schmälern, statt mehr Menschen den Aufstieg zu ermöglichen, dann ist das keine Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei nach unten.
Wer wirklich etwas für mehr Chancengerechtigkeit tun will, sollte sich nicht mit Neiddebatten aufhalten, sondern Wege suchen, Aufstieg wieder zu ermöglichen. Was im Artikel völlig fehlt, sind konstruktive Vorschläge: Wie könnte man Eigenkapitalbildung fördern? Wie lassen sich Baunebenkosten, Steuern und Bürokratie abbauen? Wie kann man den Erwerb von Wohneigentum erleichtern, statt ihn moralisch zu verurteilen?
Ein Plädoyer für Aufstieg und Eigenverantwortung
Fratzschers Fazit lautet: „In Summe wächst die Ungleichheit.“ Das ist sehr kurzgegriffen. In Summe verliert die Gesellschaft ihren Glauben an Aufstieg und Eigenverantwortung. Denn anstatt Aufstieg zu erleichtern, wird der Erhalt eines erreichten Niveaus zunehmend erschwert. Mit einer Haltung, die Leistung relativiert und Besitz verdächtigt, wird kein Wohlstand geschaffen, sondern vielmehr die Gesellschaft gespalten.
Der Original-Artikel von Marcel Fratzscher und Philipp Lersch: https://www.zeit.de/wirtschaft/2025-10/wohneigentum-immobilien-erbschaft-generationen-vermoegen
