„Qualität ist gefragt“ – Perspektiven auf den deutschen Gewerbeimmobilienmarkt
Mark Zimmermann ist CEO der Firma Diligencia Real Estate, einem unabhängigen Asset- und Investment-Manager mit Fokus auf gewerbliche Bestandsimmobilien in Deutschland. Mit tiefer Marktkenntnis, operativer Nähe zu den Objekten und einem klaren Fokus auf nachhaltige Bewirtschaftung steht Zimmermann für eine praxisnahe, effiziente und zukunftsorientierte Immobilienverwaltung.
Herr Zimmermann, wie nehmen Sie das aktuelle Marktumfeld und insbesondere die Stimmung im Bereich Gewerbeimmobilien wahr?
Der Markt bleibt herausfordernd. Das Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien ist im ersten Halbjahr um fünf Prozent zurückgegangen. Viele Player bewerten ihre Objekte nach wie vor zu Preisen, die über dem Marktniveau liegen. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben, etwa, dass Fonds nicht unterhalb eines bestimmten Prozentsatzes des Verkehrswerts verkaufen dürfen, lassen sich nach wie vor viele Objekte nicht veräußern. Das bremst den Markt. Trotz einer gewissen Aufbruchsstimmung in sozialen Medien sehe ich noch keine echte Verbesserung. Dort, wo sich etwas bewegt, liegt das meistens daran, dass die Preise bereits deutlich nach unten korrigiert wurden.
Und wie sieht es auf der Mieterseite aus, insbesondere bei Büroimmobilien?
Hier zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. In zentralen Lagen der Top-Fünf-Städte, etwa in München, floriert die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Objekten in guten Lagen. Für moderne Gebäude in der Innenstadt werden zwischenzeitlich Spitzenmieten von über 70 Euro pro Quadratmeter angeboten. Ganz anders sieht es in peripheren Lagen aus – insbesondere, wenn diese nicht gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind oder es sich um ältere Gebäude handelt. Hier ist die Vermietung äußerst schwierig und es sind kreative Lösungen gefragt.
Lassen sich daraus Rückschlüsse auf die Entwicklung in den verschiedenen Asset-Klassen ziehen?
Absolut. Qualität ist gefragt. Hochwertige, individuell ausgebaute und anpassbare Flächen sind stärker gefragt denn je, insbesondere, wenn sie Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. ESG-konforme Immobilien, bei denen insbesondere der Energieverbrauch optimiert ist, stehen bei Mietern wie Investoren hoch im Kurs.
Diese Entwicklung ist keine neue Erscheinung, sondern seit mehreren Jahren zu beobachten. Der Markt bewegt sich zunehmend in diese Richtung. Neubauten mit solider Bausubstanz, die mit energieeffizienten Systemen errichtet und betrieben werden, entsprechen dem, was heute gesucht wird.
Gibt es innerhalb der Gewerbeimmobilien bestimmte Segmente mit besonders hohem Potenzial – oder auch solche, die vor besonderen Herausforderungen stehen?
Ja, das lässt sich klar abgrenzen. Logistik- und Wohnimmobilien gelten weiterhin als die Assetklassen mit dem größten Potenzial. Beide Segmente profitieren von einem anhaltenden Nachfrageüberhang: Im Wohnbereich treiben Urbanisierung und steigende Mieten in Ballungszentren die Entwicklung, während bei Logistikimmobilien insbesondere das veränderte Konsumverhalten und die Globalisierung die Nachfrage stärken. Trotz regulatorischer Eingriffe wie der Mietpreisbremse bleibt das Interesse institutioneller Anleger hoch, perspektivisch könnte es hier sogar politische Bewegung in Richtung Lockerungen geben.
Demgegenüber stehen Einzelhandels- und Büroimmobilien, die weiterhin mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Der Einzelhandel leidet unter strukturellen Veränderungen. Ein Blick in viele Innenstädte macht deutlich, wie sehr sich die Lage verschärft hat. Büroimmobilien bleiben ebenfalls problematisch: Trotz einzelner Lichtblicke ist die Assetklasse insgesamt schwer zu platzieren.
Ein Segment, über das zuletzt viel gesprochen wurde, sind Rechenzentren. Wie sehen Sie diesen Bereich?
Rechenzentren sind aktuell ein gefragtes Thema, stellen teilweise sogar einen regelrechten Hype dar. Sie bieten eine alternative Nutzung für Immobilien, erfordern aber sehr spezielles Know-how, das man sich meist zukaufen muss. Wir haben das für ein Objekt geprüft, mussten aber feststellen, dass die Hürden extrem hoch sind. Es ist eine interessante, aber sehr komplexe Nische.
Ein weiteres Top-Thema ist ESG. Welche Rolle spielt es aus Sicht der Mieter tatsächlich am Markt?
Die ESG-Debatte ist in vollem Gange, wird aber in der Branche oft zu oberflächlich geführt. Der Fokus liegt fast ausschließlich auf dem “E”, also der Energieeffizienz. Dabei macht dieser Aspekt in der Immobilienbranche rund 80 Prozent des ESG-Erfüllungsgrads aus. Im Vordergrund steht die Reduktion des Energieverbrauchs und des CO₂-Ausstoßes. Das hat direkte Auswirkungen auf die Nebenkosten, Zielgrößen liegen aktuell bei etwa drei bis vier Euro pro Quadratmeter. Insbesondere große Corporates fragen heute verbindlich ESG-Auswertungen für ihre Jahresabschlüsse nach. Ohne diese Nachweise kann man bestimmte Mietergruppen nicht mehr gewinnen.
Und wie wirkt sich ESG auf die Finanzierungsmöglichkeiten aus?
Auch bei der Finanzierung gilt: Wer gute Werte im Bereich Energieeinsparung und CO₂-Bilanz vorweisen kann, bekommt bessere Konditionen. Es gibt vereinzelt zwar Versuche die Komponenten „S“ und „G“, durch soziale Einrichtungen oder einer Verbesserung der Governance Strukturen zu fördern, diese jedoch spielen auf dem Finanzierungsmarkt kaum eine Rolle. Für Investoren zählen vor allem harte Daten, insbesondere zur Energieeffizienz. Diese entscheiden nicht nur über die Mietbarkeit, sondern auch über Finanzierungsfähigkeit und die Wertstabilität einer Immobilie.
Was bedeutet das alles für die Immobilienbewirtschaftung insgesamt?
Investoren sind gut beraten, sich Partner zu suchen, die eine hohe Wertschöpfungstiefe abdecken – vom Asset Management bis zum Facility Management. Der Trend geht zu integrierten Dienstleistungsmodellen. Fachkräftemangel, hohe Schnittstellenkosten und steigende regulatorische Anforderungen machen es zunehmend unattraktiv, Leistungen auf viele Parteien zu verteilen. Unser Ansatz basiert auf ganzheitlicher Betreuung aus einer Hand. Das ist effizient, kostensparend und zukunftsfähig.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Zimmermann.