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Value-Add-Investments in volatilen Zeiten: Handeln statt warten

Value-Add-Investments haben nach der Zinswende anteilig an Bedeutung gewonnen / Corporates, Privatkapital und Öffentliche Hand unter den TOP-5-Investorengruppen / Büros sind beliebteste Nutzungsklasse, gefolgt von Logistik und Einzelhandel – Wohnen mit großem Wachstumspotenzial

München, 18.06.2025
Michael R. Baumann, Head of Capital Markets Germany bei Colliers.

Angesichts der angespannten Lage am Immobilienmarkt ergeben sich für Anleger, die bereit sind, antizyklisch zu investieren, interessante Opportunitäten im Value-Add-Segment. Über die damit verbundenen Chancen und Risiken diskutierten Michael R. Baumann, Head of Capital Markets Germany bei Colliers, Lars Bothe, Head of Value Add Investments bei HIH Invest Real Estate, Dominik Barton, CEO der Barton Group, und Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management bei Hauck Aufhäuser Lampe, während einer von RUECKERCONSULT organisierten Pressekonferenz.

Marktüberblick: Zinswende beeinflusst Investmentstrategien

Michael R. Baumann ordnet ein: „Seit der Zinswende 2023 beobachten wir einen relativen Bedeutungsgewinn von Value-Add-Investments im Vergleich zu Core- und Core-Plus-Investments. Das anteilige Transaktionsvolumen ist von 24 Prozent im Jahr 2022 auf 36 Prozent in 2023 gestiegen. Im Folgejahr 2024 und im ersten Quartal dieses Jahres hat sich der Anteil wieder etwas relativiert und liegt inzwischen bei 32 Prozent. Schauen wir uns die reine Anzahl der Transaktionen an, zeichnet sich seit 2023 allerdings ein ungebrochener Aufwärtstrend bei Value-Add-Investments ab. Von 46 Prozent in 2022 stieg die Anzahl der getätigten Transaktionen auf mittlerweile 58 Prozent im ersten Quartal 2025. Daraus schließen wir, dass die entsprechenden Deals im eher kleinvolumigen Bereich stattgefunden haben.“ Dabei seien die Top-5-Investorengruppen Projektentwickler mit 4.631 Millionen Euro, Vermögensverwalter mit 3.500 Millionen Euro, Corporates und Eigennutzer mit 2.632 Millionen Euro, Private Investoren und Family Offices mit 1.909 Millionen Euro sowie die Öffentliche Hand mit 1.633 Millionen Euro*.

In dem Zusammenhang bemerkt Baumann, dass sich auch der regionale Fokus von Value-Add-Anlegern seit 2023 verlagert hat: „A-Städte verlieren an Relevanz, während Kleinstädte und zum Teil auch B-, C- und D-Städte interessanter werden. Rund die Hälfte der Transaktionen wurden zwischen 2023 und dem ersten Quartal 2025 in Kleinstädten getätigt.“   

Hinsichtlich der Nutzungsklassen stellt Baumann fest, dass Büros seit 2024 ein Comeback bei Value-Add-Anlegern erleben und aktuell mit einem Anteil von über 30 Prozent am Transaktionsvolumen wieder die beliebteste Nutzungsklasse darstellen. Logistikimmobilien belegen mit 18 Prozent den zweiten und Einzelhandelsimmobilien mit acht Prozent den dritten Platz. Wohnimmobilien klammert Baumann an der Stelle bewusst aus, da es hier eine zu geringe Datenbasis gibt. Dennoch sieht der Immobilienexperte in diesem Segment das größte Potenzial.

Großes Potenzial für Wohnen – aktives Asset Management gefordert

Dominik Barton stimmt der Einschätzung zu: „Die Wohnraumnachfrage ist deutschlandweit enorm hoch und bleibt aufgrund von fehlendem Angebot häufig unbedient. Demnach sehen wir ebenfalls großes Potenzial für diese Nutzungsart und kaufen als Investment- und Asset-Manager Wohnbestand in ganz Deutschland – überwiegend in prosperierenden B- und C-Städten mit guter infrastruktureller Anbindung. Die jeweiligen Objekte entwickeln wir entlang der gesamten Immobilienwertschöpfungskette aktiv durch unser hauseigenes Asset-, Property- und Facility-Management. Die Entwicklung und die Hebung von Upside-Potenzialen von Immobilien bedeutet im ersten Schritt natürlich entsprechende Investitionen und stellt somit ein erhöhtes Anlagerisiko dar. Auf lange Sicht lohnt es sich: Upside-Potenziale können gehoben und Wertsteigerungen ermöglicht werden, so dass schlussendlich attraktive Renditen erzielt werden.“

Dominik Barton, CEO der Barton Group. Quelle: Barton Group

„Die Investorenstimmung ist nach wie vor zurückhaltend – insbesondere auf der institutionellen Seite“, so Barton. „Zu der Verunsicherung tragen unserer Einschätzung nach die geopolitischen und derzeitigen konjunkturellen Entwicklungen bei. In den kommenden Monaten erwarten wir aber eine gewisse Stabilisierung mit einhergehender positiver Weiterentwicklung der Marktlage und damit eine bessere Planbarkeit für Investoren. Gerade im Bereich Wohnen sehen wir in Deutschland einen gewissen konstanten Nachfrageaufschwung, sowohl auf der Vermietungsebene als auch auf der Transaktionsseite. Die Zeiten, in denen Immobilien angekauft und ‚gehalten‘ werden, bis sie zu einem Vielfachen des Kaufpreises wieder veräußert werden können, sind vorbei und werden nicht so bald wiederkehren. Immobilienwerte können nur gehoben werden, wenn ‚handwerklich‘ saubere Arbeit geleistet wird.“

Antizyklische Investments

Die HIH Invest hatte im Sommer 2024 einen eigenen Geschäftsbereich für Value-Add-Investments gegründet. Lars Bothe, Head of Value Add Investments der HIH Invest, kommentiert: „Der Schritt in den Value-Add-Bereich war für uns eine logische Weiterentwicklung der HIH Invest. Nach vielen Jahren als fokussierter Core- und Core-Plus-Asset-Manager sehen wir die Notwendigkeit und die Chance, aktiver auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren. Der Markt verlangt heute mehr als reines Bestandsmanagement – es geht um aktives Asset Management, kreative Nutzungskonzepte, ESG-konforme Revitalisierung und das Heben von verborgenen Potenzialen.“

Im Fokus stehen bei der HIH Invest im Bereich Value-Add aktuell vor allem Logistik- und Wohnimmobilien. Die HIH Invest positioniert sich dabei als operativer Partner in Joint-Venture-Strukturen: „Wir bringen unsere Asset-Management-Kompetenz, Marktkenntnis und unser institutionelles Netzwerk ein – etwa in Kooperation mit internationalen Partnern wie der Partners Group oder dem internationalen Private-Equity-Investor Nrep (Nordic Real Estate Partners). Dabei entstehen z.B. wie beim CityHub Leipzig zukunftsfähige und flexible Logistik-Assets, wo wir mit der Partners Group ein ehemals monostrukturiertes Versandzentrum vollständig repositionieren und um zwei Neubauten erweitern. Daneben verfolgen wir Opportunitäten im Entwicklungsbereich, wo wir gerade ein Projekt im Ruhrgebiet erwerben konnten.“

Lars Bothe, Head of Value Add Investments der HIH Invest. Quelle: HIH Invest

Im Wohnbereich verfolgt die HIH Invest zweigleisige Strategien: „Einerseits ermöglichen wir mit unserem frühzeitigen Einstieg und der dahinterstehenden Kapitalstruktur die Realisierung von ins Stocken geratenen Projektentwicklungen, andererseits investieren wir in ältere Bestände mit energetischem Sanierungsbedarf“, so Bothe.

In Summe versteht Bothe den Value-Add-Ansatz der HIH Invest als antizyklische Positionierung mit mittel- bis langfristigem Horizont: „Unsere Investmententscheidungen basieren auf einer sorgfältigen Analyse wesentlicher Fundamentaldaten, um ein nachhaltig erfolgreiches Exit-Produkt zu entwickeln.“

Ausgewogener Risiko-Rendite-Mix

Den Ansatz der Hauck Aufhäuser Lampe Real Estate Investment Management (HAL REIM) erläutert Patrick Brinker, Head of HAL REIM: „Wir sind keine klassische Investmentboutique, sondern eine Privatbank mit einem stark regulierten Umfeld – und genau deshalb sehen wir im Value-Add-Bereich gezielt Chancen. Mit unserem Ansatz einer ‚Managed-to-Core‘-Strategie im Bereich Lebensmitteleinzelhandel verfolgen wir das Ziel, risikoadjustierte Renditen zu erwirtschaften, ohne dabei auf Substanz oder ESG-Konformität zu verzichten.“

Patrick Brinker, Head of HAL REIM. Quelle: HAL REIM

Brinker weiter: „Wir haben ab 2019 gezielt ehemalige großflächige SB-Warenhäuser wie Real-Märkte erworben, deren ursprüngliches Konzept nicht mehr zeitgemäß war. Durch baurechtliche Optimierung, Neuvermietung und gezielte Umstrukturierung entwickeln wir diese Flächen zu modernen Nahversorgungszentren mit Vollsortimentern, Discountern und Drogerien weiter.“ Dieser Repositionierungsprozess beinhaltet sämtliche Schritte – von der Baurechtsschaffung über die Projektentwicklung bis hin zur Finanzierung und ESG-Integration – alles intern gemanagt. „Unsere Investoren profitieren von einem stabilen Cashflow bei gleichzeitigem Wertzuwachs der Objekte.“

Im Fonds HAL Soziale Infrastruktur Deutschland 2, einem rein eigenkapitalfinanzierten Spezialfonds, werden bis zu 20 Prozent des Volumens in Value-Add-Objekte investiert – zum Beispiel in die Umnutzung ehemaliger Verwaltungsgebäude oder die bauliche Erweiterung bestehender Gesundheitsimmobilien. Ein prominentes Beispiel ist der Umbau eines alten Krupp-Verwaltungsgebäudes in Duisburg zu einem modernen Gesundheitszentrum: „Hier zeigen wir, dass nachhaltige soziale Infrastruktur und Value-Add sehr gut zusammenpassen.“

Die Kombination aus Core-Assets mit planbaren Cashflows und gezielten Value-Add-Komponenten schafft einen ausgewogenen Risiko-Rendite-Mix: „Wir streben Cash-on-Cash-Renditen von über 4,75 Prozent an. Dabei geht es nicht nur um Performance, sondern auch um Widerstandsfähigkeit – und um Investitionen mit gesellschaftlichem Mehrwert, etwa durch eine bessere ambulante Gesundheitsversorgung.“

*Kumuliertes Transaktionsvolumen von 2023 bis Ende des ersten Quartals 2025 nach Investorengruppe