Wohnungsmarkt zwischen Regulierung und Realität
Deutsche Wirtschaft: Verlangsamtes Wachstum in 2025, aber positive Tendenzen für 2026 / Wohnungsmarkt: Angebot bleibt hinter der Nachfrage zurück – strukturelle Ursachen überwiegen / Zuwanderung und Demografie prägen langfristig das Marktgleichgewicht / Regulierung und Baulandknappheit als zentrale Bremsfaktoren des Wohnungsbaus
Trotz positiver BIP-Prognosen für 2026 bleiben die strukturellen Herausforderungen groß: Demografischer Wandel, steigende Energiepreise und schleppende Investitionen dämpfen das Wachstum. Im Webinar „MACRO MATTERS – The KINGSTONE Real Estate View“ beleuchteten Maximilian Radert, Head of Product Development & Research bei KINGSTONE Real Estate, und Dr. Reiner Braun, Geschäftsführer empirica regio und Vorstandsvorsitzender der empirica ag, makroökonomische Trends, demografische Entwicklungen sowie die strukturellen Ursachen des anhaltenden Ungleichgewichts am deutschen Wohnungsmarkt, so unter anderem die Schere zwischen Angebot und Nachfrage.
Wohnungsmarkt im Spannungsfeld
Der deutsche Wohnimmobilienmarkt befindet sich in einer Phase des strukturellen Umbruchs. Während die Nachfrage nach Wohnraum in Ballungsräumen weiterhin hoch bleibt, stagniert das Angebot. „Staatliche Eingriffe wie Kappungs- und Mietpreisbremsen sowie komplexe Genehmigungsverfahren verschärfen die Situation zusätzlich“, so Dr. Reiner Braun.
Gleichzeitig reagieren Bauträger und Investoren zunehmend zurückhaltend auf die Unsicherheiten der Förderlandschaft, gestiegene Finanzierungskosten und den Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft. Die Folge ist ein Rückgang bei Bauanträgen und Fertigstellungen – insbesondere in den Großstädten, wo der Bedarf am größten ist. Auch die Verfügbarkeit von Bauland bleibt ein Engpassfaktor.
Im Ergebnis entstehen immer weniger familiengerechte Wohnungen, während sich der Markt auf kleinere Einheiten konzentriert, die sich schneller realisieren und einfacher vermarkten lassen. Diese Entwicklung führt zu einer zunehmenden sozialen und räumlichen Spaltung, die den Druck auf Mieten in zentralen Lagen weiter erhöht und den Ausweichdruck in das Umland verstärkt.
Migration, Binnenwanderung und regionale Verschiebungen
Die demografische Entwicklung und die Mobilität der Bevölkerung prägen die langfristige Struktur des deutschen Wohnungsmarkts. Während der natürliche Bevölkerungssaldo seit Jahren negativ ist, wirkt die Zuwanderung aus dem Ausland stabilisierend – bleibt aber schwer prognostizierbar. Für die Wohnungsplanung bedeute das eine große Unsicherheit, so Dr. Reiner Braun.
Auch innerhalb Deutschlands verschieben sich die Wohnströme spürbar. Während junge Menschen zum Studium oder Berufseinstieg weiter in die Metropolen ziehen, verlassen viele Familien die Städte. „Die Landlust ist kein neuer Trend, sondern ein Symptom der Knappheit in den Städten“, betonte Braun. Viele Familien würden lieber bleiben, was aus Platz- und Kostengründen häufig nicht möglich sei. Die Folge sei eine wachsende Nachfrage in Umlandgemeinden, die oft selbst über zu wenig Bauland verfügen.
Maximilian Radert verwies zudem auf die demografische Dimension der Arbeitsmigration: „Wir sehen, wie stark der Wohnungsmarkt mit dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel verknüpft ist. Migration ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein wirtschaftliches Thema.“

Insgesamt führen diese Wanderungsbewegungen zu einer wachsenden räumlichen Differenzierung. Während gut angebundene Mittelstädte und Verdichtungsräume wachsen, verlieren periphere Regionen weiter an Bevölkerung. Damit steigt der Druck, Infrastruktur und Wohnungsangebot regional ausgewogener zu entwickeln – ein zentraler Faktor, um langfristig wieder zu einem stabilen Marktgleichgewicht zu gelangen.
Preis- und Mietentwicklung: Marktspaltung durch Regulierung
Während Neuvertragsmieten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind, stagnieren viele Bestandsmieten oder sinken real sogar. Laut empirica-Daten beträgt die Differenz zwischen Neuvertrags- und langjährigen Bestandsmieten in deutschen Großstädten inzwischen rund ein Drittel. Dr. Reiner Braun sieht diesen Effekt als „Folge eines überregulierten Marktes“. Durch Kappungsgrenzen und die selbstreferenzielle Logik der Mietspiegel könne sich der Marktpreis kaum mehr frei bilden.
In der Folge kommt es zum sogenannten Lock-in-Effekt: Mieter bleiben in alten, günstigeren Verträgen, während der frei verfügbare Wohnraum für Wohnungssuchende immer teurer wird. Dadurch entstehe eine strukturelle Verengung des Mietmarkts, die kaum noch auf kurzfristige Maßnahmen reagieren könne.
Maximilian Radert hob in diesem Zusammenhang hervor, dass sich die Preisentwicklung nicht allein durch kurzfristige Mietbremsen steuern lasse. „Die Diskussion um bezahlbares Wohnen greift zu kurz, wenn wir nur auf den Mietpreis schauen. Entscheidend ist, dass genügend Angebot entsteht – und das gelingt nur, wenn sich Investitionen wieder rechnen“, so Maximilian Radert.
Während die nominalen Mieten in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind, sei die reale Mietbelastung für viele Haushalte aufgrund gestiegener Einkommen moderater verlaufen. Dennoch verschärfe die Regulierung die Kluft zwischen Bestands- und Neumieten weiter. „Je mehr der Staat eingreift, desto stärker verschiebt sich das Marktgleichgewicht“, erklärt Maximilian Radert. „Wir brauchen ein System, das Mieter schützt, aber den Markt nicht lähmt.“
Fazit
Der deutsche Wohnimmobilienmarkt steht vor tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Wirtschaftliche Unsicherheiten, hohe Baukosten, ein Mangel an Fachkräften und übermäßige Regulierung belasten die Branche ebenso wie die wachsende Kluft zwischen Nachfrage und tatsächlichem Angebot. Gleichzeitig verändern demografische Trends, Zuwanderung und regionale Verschiebungen das Gefüge der Wohnraumnachfrage nachhaltig.
Für die kommenden Jahre wird es entscheidend sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die wieder mehr Investitionen in den Wohnungsbau ermöglichen – durch eine verlässliche Förderpolitik, die Reduzierung bürokratischer Hürden und die Ausweisung von Bauland.
Maximilian Radert fasst zusammen: „Wir brauchen weniger Eingriffe und mehr Ermöglichung – eine Bau- und Wohnungspolitik, die wieder Dynamik zulässt. Nur so schaffen wir langfristig die Balance zwischen sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit.“