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Stuttgart: Abwärtstrend am Wohneigentumsmarkt hält an, Angebot und Nachfrage finden nicht zusammen

Bremsspuren im Neubaugeschäft werden die Wohnungsprobleme deutlich verstärken

Stuttgart, 19.03.2024

Das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbandes Deutschland IVD Süd e.V. hat am 18. März 2024 auf einer Video-Pressekonferenz den traditionellen „CityReport Stuttgart Frühjahr 2024“ vorgestellt. „Der Wohnimmobilienmarkt wird aktuell von divergierenden Tendenzen dominiert: Während die Stimmung am Wohneigentumsmarkt trüb ist, ist der Mietmarkt weiterhin von Anstiegen geprägt“, beurteilt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, die derzeitige Situation. „Der verhaltenen Kaufbereitschaft steht seit der Trendwende eine deutlich steigende Nachfrage nach Mietwohnungen gegenüber.“

Wohnimmobilien zum Kauf

Die Zinswende hat den Wandel am Immobilienmarkt ausgelöst. Die stark anwachsenden Hypothekenzinsen in Verbindung mit weiterhin steigenden Baukosten sowie einer erheblich nachlassenden Konjunktur erschweren den Traum vom Eigenheim für viele Kaufinteressenten massiv. „Obwohl die Kaufpreise in Stuttgart vor der Trendwende auf einem sehr hohen Niveau waren, ermöglichte das Niedrigzinsniveau es den Käufern trotzdem, eine Immobilie zu erwerben. Der Rückenwind durch günstige Zinsen ist Geschichte, wenngleich Hypothekenzinsen um die 3-4 % im historischen Vergleich noch immer günstig sind – in den letzten 50 Jahren gab es bereits drei Phasen mit einem Zinsniveau von über 10 %“, so Stephan Kippes. „Nicht zu unterschätzen ist hierbei, dass politische Unsicherheiten, wie fehlende klare gesetzliche Rahmenbedingungen, keine Konstanz, ebenfalls dazu beitragen, eine Kaufentscheidung aufzuschieben.“

Das gestiegene Objektangebot spiegelt das veränderte Marktgeschehen inklusive einer schwierigen Vermarktungssituation wider.

Der Kreis der Kaufinteressenten hat sich vorwiegend auf Menschen mit klassischen Kaufmotiven und guter Bonität reduziert, die mit Bedacht am Markt agieren. Nachfrager sind in erster Linie Eigennutzer. Kapitalanleger haben zwar derzeit die Möglichkeit, sich Immobilien zu sichern, an die sie vor einigen Jahren nicht kommen konnten, agieren jedoch aktuell eher zurückhaltend.

Bei Neubauobjekten gehören zu den wenigen Käufern zurzeit wohlsituierte Senioren, die Eigenkapital haben. Junge Familien, die üblicherweise auf eine Fremdfinanzierung angewiesen sind, sind am Neubaumarkt nur wenig präsent.

„Nach dem seit dem Herbst 2022 andauernden Preisverlust und einer Stagnation am Kaufmarkt ist die Hoffnung auf eine Stabilisierung des Marktes und ein Preisplateau in der Immobilienbranche groß“, berichtet Sven Lechner, Inhaber von Lechner Immobilien und Mitglied des IVD-Fachausschusses Stuttgart.

Die seit Jahresbeginn sinkenden Hypothekenzinsen könnten die Stabilisierungshoffnungen nähren. Gleichzeitig deutet sich bei den Kaufinteressenten eine Akzeptanz der neuen Realität an, nämlich dass die Phase des Niedrigzinsniveaus endgültig vorbei ist und die gestiegenen Zinsen der neue Status quo sind.

Kaufpreise

Bei den Preisabschlägen ist zu beobachten, dass die Kaufobjekte weniger an Wert verlieren je höher deren Wohnwert ist. Immobilien mit teilweise nur leichten Makeln (ohne Balkon oder Aufzug in einem Mehrfamilienhaus, unsaniert, schlechte Lage) sind derzeit im Vergleich zur Zeit vor der Trendwende unverkäuflich.

Für eine Eigentumswohnung/Bestand mit gutem Wohnwert wurde im Frühjahr 2024 ein Quadratmeterpreis von durchschnittlich 5.000 € veranschlagt (Frühjahr 2023: 5.500 €, Frühjahr 2022: 6.000 €). Im Jahresvergleich Frühjahr 2023 – Frühjahr 2024 betrugen die Preisabschläge für Eigentumswohnungen -9,1 %.

Für eine neuerrichtete Eigentumswohnung mit gutem Wohnwert wurden im Frühjahr 2024 durchschnittlich 8.000 €/m² bezahlt (Frühjahr 2023: 8.800 €/m², Frühjahr 2022: 9.450 €/m²). Zwischen Frühjahr 2023 und Frühjahr 2024 betrug der Preisverlust -9,1 %.

Die Preise für freistehende Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit einem guten Wohnwert lagen im Frühjahr 2024 im Durchschnitt bei 1.130.000 € (Frühjahr 2023: 1.250.000 €, Frühjahr 2022: 1.380.000 €). Somit verlor dieses Segment durchschnittlich -9,6 % an Wert im Frühjahrsvergleich 2023-2024.

Der Stuttgarter Grundstücksmarkt zeichnete sich vor der Trendwende durch einen enormen Mangel an Baugrundstücken aus. Die Preise für Baugrundstücke in guter Wohnlage lagen im Frühjahr 2024 für Einfamilienhäuser durchschnittlich bei 1.330 €/m² (Frühjahr 2023: 1.400 €/m², Frühjahr 2022: 1.620 €/m²) und für Geschossbau bei 1.570 €/m² (Frühjahr 2023: 1.750 €/m², Frühjahr 2022: 2.150 €/m²). Die Preisrückgänge zwischen den Frühjahrswerten 2023 und 2024 betrugen -5,0 % bei Baugrundstücken für Einfamilienhäuser und massive -10,3 % für Geschossbau.

Durch den starken Anstieg bei den Hypothekenzinsen und eine rückläufige Nachfrage nach Kaufimmobilien herrscht am Grundstücksmarkt, insbesondere für Geschossbau, weitgehend Stillstand. Im harten Wettkampf um die kargen Grundstücke waren Bauträger vor der Trendwende am Immobilienmarkt gezwungen, hohe Preise zu akzeptieren – in der Hoffnung, dass sich diese später durch weiter gestiegene Kaufpreise refinanzieren lassen. Darüber hinaus wurde die Lage der Bauträger durch teilweise explosionsartig gestiegene Materialpreise und Handwerkerkosten verschärft. Auf der Finanzierungsseite hat die Branche damit zu kämpfen, dass die Banken extrem vorsichtig taktieren und einen hohen Eigenkapitalanteil sowie eine belastbare Kalkulation des Projektes verlangen.

Es herrscht eine getrübte Stimmung unter den Bauträgern, sie befinden sich im Abwartemodus und verzichten weitgehend auf Grundstückskäufe und Bevorratung, in der Hoffnung auf weitere Senkungen der Grundstückspreise, um künftige Bauvorhaben lohnend realisieren zu können. Die um fast ein Drittel gesunkene Baugenehmigungszahl im Jahr 2023 wird in einigen Jahren ein massives Wohnungsproblem in Stuttgart hervorrufen.

Wohnimmobilien zur Miete

Die Pandemiephase und die anschließenden Jahre waren durch eine abgeschwächte Dynamik am Mietmarkt geprägt. Der Zuzug von zahlungskräftigen Fachkräften, die bis dahin die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern zur Miete im gehobenen Segment stark mitbestimmten, blieb aus. Mit der Trendwende am Kaufmarkt hat sich auch der Mietmarkt gedreht. Nachdem sich die traditionelle Kaufklientel vom Wohneigentumsmarkt infolge hoher Hypothekenzinsen weitgehend zurückgezogen hat, orientierte sie sich hin zu den Mietobjekten.

Der aktuellen Erhebung des IVD-Instituts zufolge sind alle Segmente von steigenden Mieten betroffen. Die Mietpreise in Stuttgart im Frühjahr 2024 liegen wie folgt: Altbauwohnungen kosten 16,10 €/m², Wohnungen aus dem Bestand 16,00 €/m² und neuerrichtete Mietwohnungen 17,40 €/m² (jeweils auf den guten Wohnwert bezogen). Die Mieten für Wohnungen sind im Jahresvergleich um rund 4 % gestiegen.

Generell lässt sich festhalten, dass die Mietpreisbremse die Mietanstiege in Stuttgart gedämpft hat, aber auch die Investoren abgeschreckt hat, neuen Wohnraum zu schaffen. Der Wohnungsmietmarkt ist reglementiert, aktuell bewegen sich die Mietpreise am oberen Bereich des Mietspiegels.

Bei der Betrachtung der Preiszuwächse auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt zwischen 2010 und Frühjahr 2024 wird sichtbar, dass der Baugrund im Geschossbau bis 2023 den höchsten Preisanstieg aufwies (+124 %). Im Kaskadeneffekt erhöhten sich die Kaufpreise für Eigentumswohnungen/Bestand (+104 %). Die Mietpreise haben sich allerdings von dieser Entwicklung etwas abgekoppelt und zogen im besagten Zeitraum mit +62 % deutlich verhaltener an (jeweils Bestandsobjekte mit gutem Wohnwert). Die Trendwende am Markt für Wohneigentum verkleinert die Schere zwischen den Preissteigerungen für Kaufimmobilien und Mietobjekte, wobei diese im Jahr 2022 am größten war.

Im Einzelnen berichtete Prof. Stephan Kippes von folgenden marktrelevanten Tendenzen:

  • Getrübte Stimmung bremst die Investitionsdynamik am Immobilienmarkt in Baden-Württemberg: Angesichts der hohen Transaktionsvolumina der erfolgreichen Vorjahre, die von der Nullzinsphase und von der großen Kaufbereitschaft in der Coronakrise profitiert haben, ist der Immobilienumsatz mit knapp 45 Mrd. € im Jahr 2022 und speziell im Jahr 2023 mit 33,2 Mrd. € ein überaus niedriges Ergebnis (-25,9 % gegenüber dem Vorjahr).
  • Sinkende Inflation: 2023 lag die Inflationsrate bei 5,9 % (2022: 6,9 %), 2024 verringerte sich diese im Durchschnitt der ersten zwei Monate auf 2,7 %.
  • Rückläufige Zinssätze: Erstmals seit Februar 2022 sinkt das Zinsniveau im Dezember 2023 spürbar, im Januar 2024 nimmt der Trend weiter Fahrt auf. Bei einer Laufzeit von über 10 Jahren lag der Zinssatz im Januar 2024 bei 3,55 % (Vormonat: 3,65 %, Vorjahresmonat: 3,70 %). Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag bei 4,08 % (Vormonat: 4,44 %, Vorjahresmonat: 3,80 %).
  • Leicht steigende Arbeitslosigkeit: Auch in Stuttgart ist die Arbeitslosenquote im Jahresvergleich angestiegen und lag im Februar 2024 bei 5,4 % (Februar 2023: 4,9 %).
  • Wohnnebenkosten nehmen infolge massiv gestiegener Energiepreise stark zu: War der stärkste Anstieg zwischen 2015 und Februar 2022 bei den Kosten für die regelmäßige Instandhaltung zu verzeichnen, so wurde er seit der Energiekrise von den Kosten für Strom, Gas und anderen Brennstoffen abgelöst. Im Januar 2024 betrug der Anstieg in dieser Kategorie +48,8 % gegenüber 2020. Die Kosten für die Instandhaltung und Reparatur von Wohnungen stiegen im betreffenden Zeitraum um +32,4 % an.