Logistikimmobilienmarkt im Wandel
Experten diskutieren Strategien zwischen Flächendruck, Brownfields und politischen Rahmenbedingungen
Logistik bleibt auch 2025 eine der dynamischsten Anlageklassen am Immobilienmarkt. Zugleich aber driften die Nachfrage nach modernen, ESG-konformen Flächen und ein knappes, oft nicht mehr den Anforderungen entsprechendes Angebot immer weiter auseinander.
Vor diesem Hintergrund diskutierten Branchenexperten zentrale Fragen des Marktes sowie Stellschrauben für dessen Zukunft: Brownfield- und Revitalisierungsstrategien, einheitliche Baustandards, beschleunigte Verfahren sowie Planbarkeit in der Förderlandschaft. Zu dem Gespräch hatte die auf die Immobilienwirtschaft spezialisierte Kommunikationsberatung Feldhoff & Cie. (FCI) Branchenexperten und Vertreter der Fachpresse eingeladen.
Neben Janica Gerecke (Country Manager Germany, Logicor) nahmen Christian Meister (Senior Managing Director, Hines), Dr. Christoph Wiechmann (Büroleiter Leipzig, OFB Projektentwicklung) und Stefan Weyrauch (Gesellschafter & Head of Industrial and Logistics, NAI apollo) an der Diskussionsrunde teil.
Marktbild: Stabil in den Kernregionen, zäher abseits der Top-Lagen
Die Diskussionsteilnehmer beobachten derzeit einen weiterhin soliden Flächenumsatz an den Top-5- bis Top-7-Standorten. Zugleich aber gestaltet sich die Vermietung in B- und C-Lagen deutlich zäher. Mietvertragsverlängerungen steigen gegenüber Neuvermietungen spürbar. Unter- und Zwischenvermietungen (Gray Space) haben in den vergangenen Jahren zwar merklich zugenommen, werden aktuell jedoch sukzessive abgebaut. In einzelnen Korridoren außerhalb der Ballungsräume trifft ein erhöhtes Fertigstellungsvolumen auf eine nur schrittweise zurückkehrende Nachfrage.
„Die Nachfrage bleibt in den Kernregionen robust, aber Mieter entscheiden mittlerweile selektiver. Wir sehen eine Steigerung bei Vertragsverlängerungen, denn viele Unternehmen scheuen sich derzeit vor einer längerfristigen Bindung an eine neue Immobilie. Die Verhandlungen dauern deutlich länger und mehr Besichtigungen sind notwendig. Auch bedarf es höherer Incentives. Gleichzeitig aber sind spekulative Entwicklungen in ausgewählten Lagen, etwa in Neuss, Langenfeld und Nürnberg, wieder möglich“, sagte Janica Gerecke, Country Manager Germany bei Logicor.
Stefan Weyrauch, Gesellschafter & Head of Industrial and Logistics bei NAI apollo, bestätigte: „Die Nachfrage an Top-Standorten ist beständig, abseits davon wird es jedoch spürbar zäher. Unter- und Zwischenvermietungen haben zunächst geholfen, werden aber wieder abgebaut. Wir sehen vorsichtig positive Tendenzen und eine klare Präferenz der Nutzer für moderne, ESG-konforme Flächen – vornehmlich in den Ballungsräumen.“
ESG in der Praxis: Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander
Beim Thema Nachhaltigkeit herrschte Einigkeit über Richtung und Relevanz, jedoch ebenso über die Lücke zwischen Zielbild und Realität. Photovoltaik, Mieterstrommodelle und zirkuläre Bauweisen gelten als Standard der Zukunft, werden in der Umsetzung jedoch häufig von Netzanschlusskapazitäten, heterogenen Landesbauordnungen, Genehmigungsdauern und wechselnden politischen Signalen ausgebremst. Und je höher die Miete, desto größer sind die ESG-Ansprüche der Mieter.
Brownfields haben in vielen Fällen die stärkste Wirkung pro investiertem Euro, nicht zuletzt, weil sie weitere Flächenversiegelung vermeiden und Stoffkreisläufe (z. B. Wiederverwendung von Erdbau- und Bauteilmaterialien) ermöglichen. Brownfield-Redevelopments bieten eine Hebelwirkung, aber nicht jede ehemalige Industriefläche ist automatisch geeignet: Infrastruktur, Nachbarschaft und Altlasten sind entscheidend.
Dr. Christoph Wiechmann, Büroleiter Leipzig der OFB Projektentwicklung, brachte es auf den Punkt: „Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist derzeit unser größtes Risiko und zugleich die größte Chance. Netzanschlüsse, komplexe Regelwerke und lange Verfahren bremsen noch zu häufig. Brownfields und zirkuläre Konzepte machen besonders dann den Unterschied, wenn die Lage passt, wir vorhandene Infrastruktur nutzen und technisch wie technologisch nachlegen.“
Was jetzt zählt: Planbarkeit, Digitalisierung und Standards
Die Runde forderte mehr Planbarkeit in der Förderlandschaft (z. B. klare, verlässliche Rahmen für Energie- und Mobilitätsprogramme), eine konsequente Digitalisierung der Verwaltungsprozesse (u. a. digitale Bauakten, einheitliche Verfahren) sowie einheitliche Baustandards, zum Beispiel bei Brandschutzanforderungen und Stellplatzschlüsseln. Ziel sei es, Investitions- und Genehmigungsrisiken zu reduzieren, Innovation zu erleichtern und ESG-Investitionen schneller in die Fläche zu bringen.
Christian Meister, Senior Managing Director bei Hines, formulierte den Appell so: „Wir brauchen Planbarkeit statt Ad-hoc-Politik. Klare Energiepfade, verlässliche Förderkulissen und digitalisierte Genehmigungsprozesse sind die eigentlichen Beschleuniger. Einheitliche Baustandards und Offenheit für Innovation – von Mieterstrom bis Zirkularität – senken Risiken und bringen Investitionen schneller in den Markt. Vielleicht wären im Rahmen der Genehmigungen bspw. Erleichterungen oder Befreiungen bei der Erfüllung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien ein Weg, die ökologische Bauwende auch für Logistikimmobilien schneller voranzubringen.“
Kapitalmarkt: Internationales Interesse, klare Preisbildung
Aus Investorensicht bleibt Deutschland ein bevorzugter Zielmarkt für Logistik, insbesondere für internationales Kapital. Laut Gerecke richten ausländische Investoren ihren Fokus auf Core-Plus und Value-Add Produkte, während sich deutsche Käufer auf Core-Immobilien konzentrieren. Branchenweit beobachten alle Diskussionsteilnehmer eine stabilisierte Preisbildung im Prime-Segment. Für Core-Produkte gelten Meister zufolge Brutto-Anfangsrenditen in einer Spanne um von 4,7 bis 5,0 Prozent als Referenz. Liquidität ist vorhanden und zunehmend gewinnen Capital-Recycling-Programme an Bedeutung, um Erlöse aus Non-Core-Beständen in Redevelopments und neue Grundstücksankäufe zu lenken.
Die Experten zeigten sich einer Meinung: Die Logistik hat ihr „New Normal“ gefunden, jetzt muss die Umsetzung folgen. Die Diskussion skizzierte einen Weg, der weniger von Schlagworten als von guter Ausführung lebt. Entscheidend ist das Zusammenspiel aus marktnaher Entwicklung und einem konsequenten ESG-Verständnis. Vor allem braucht es Verlässlichkeit in den Prozessen, damit Investitionen und Nutzungsideen ihren Weg in den Betrieb finden. Wo das gelingt, entsteht Fortschritt ohne Überhitzung.