Rechenzentren als Urbaner Hotspot: Neue Potenziale für die Immobilienwirtschaft

03.07.2025

In einer zunehmend digitalisierten Welt wachsen die Anforderungen an Datenverarbeitung, Speicherung und Übertragung rasant. Allein der DE-CIX Frankfurt, Europas größter Internetknoten, verzeichnete im letzten Monat einen Datenverkehr von rund 13,5 Terabit pro Sekunde – so viel, als würden 332 Millionen Menschen gleichzeitig einen HD-Film streamen.

Mit der ständigen Weiterentwicklung moderner Technologien wie Robotik, autonomem Fahren und Künstlicher Intelligenz wächst der Bedarf an Datenkapazität – vor allem lokal. Bis 2030 werden schätzungsweise 6.000 bis 10.000 neue Rechenzentren unterschiedlicher Größe nur in Deutschland benötigt, um die IT-Versorgung zu gewährleisten. Die Frage ist: Wie lässt sich diese Infrastruktur nachhaltig, effizient und zukunftssicher gestalten?

Ein Rechenzentrum, viele Möglichkeiten

Rechenzentren sind nicht mehr bloß Datenlager. Sie entwickeln sich zu Knotenpunkten smarter Stadtquartiere, spielen eine entscheidende Rolle in der Energieversorgung und erfordern neue architektonische sowie wirtschaftliche Konzepte. Kommunen können Rechenzentren in urbanen Gebieten unter gesetzlichen Sicherheits- und Umweltvorschriften neu errichten oder in Bestandsobjekte integrieren. Sowohl Anwohnern und Institutionen als auch Unternehmen können diese dann gemeinschaftlich nutzen.

Wenn Rechenzentren auf Hochtouren laufen, entstehen große Mengen an Wärme, die an anderer Stelle genutzt werden können. Sie können in Wärmenetzen von Unternehmen aus der Lebensmittel- oder Life-Science-Industrie, in Haushalten oder im Urban und High Tech Farming eingesetzt werden – etwa, um Gewächshäuser zu beheizen. Die Kombination aus vielfältiger Abwärmenutzung, zusammen mit einer schnellen und stabilen Datenverbindung, kann die Region als Wirtschaftsstandort stärken und schafft Anreize für Unternehmen, sich dort niederzulassen.

Living on the edge: das Datacenter für die Stadt

Eine Möglichkeit zur Integration in bestehende Stadtstrukturen sind sogenannte Edge Datacenters. Diese Rechenzentren bieten eine Rechenzentrumsfläche von bis zu 500 Quadratmeter und benötigen je nach Größe rund 1,2 Megawatt Anschlussleistung. Sie brauchen damit deutlich weniger Strom als große Rechenzentren und sind somit auch weniger stark vom rückständigen Ausbau des Stromnetzes betroffen. Zudem sind Edge Datacenters flexibler: Die technische Ausstattung wird meist in Containern untergebracht, die sich leicht an- und abkoppeln sowie austauschen lassen. Bei einem ständig wachsenden IT-Bedarf lässt sich die Ausstattung dadurch jederzeit anpassen.

Ein solcher Strukturwandel bringt natürlich auch neue Herausforderungen mit sich. Ein Rechenzentrum kann nur gebaut werden, wenn die passende Infrastruktur zur Unterbringung, Stromversorgung und Kühlung der Server vorhanden ist. Es braucht dazu mehr Flexibilität wie leerstehende Gebäude – beispielweise Retail aber auch Kirchen, Klöster, oder Kasernen – genutzt werden können. Zudem muss die Sektorenkopplung – die Vernetzung von Energieverbrauchssektoren wie Strom, Wärme, Verkehr und Industrie – stärker erforscht und ausgebaut werden, um Synergien für die Energiegewinnung zu schaffen und die Stromversorgung neuer Technologien zu sichern.

So sieht Zukunft aus: Bestandsprojekt Frimmersdorf

Ein treffendes Beispiel, wie man auch Bestandsobjekte strategisch umfunktionieren kann, zeigt das Kraftwerk Frimmersdorf. Das im Jahr 2021 stillgelegte Braunkohlekraftwerk wird nicht abgerissen, sondern rückgebaut und zum Digitalpark umgestaltet. Auf dem 1,5 Kilometer langen und 450 Meter breiten Werksgelände entsteht einer der größten Hotspots für Künstliche Intelligenz. Im zentralen Kraftwerksgebäude wird auf mehr als 20.000 Quadratmetern Fläche ein Rechenzentrum für eine NRW Landestochter gebaut, welches das gesamte Werksgelände wärmetechnisch versorgen wird. Des Weiteren entsteht dort ein zweites Rechenzentrum für einen Hyperscaler mit einer Anschlussleistung von bis zu 900 Megawatt. Als ehemaliges Kraftwerk eignet sich die Stromnetzanbindung mit einer Anschlussleistung von 1,2 Gigawatt optimal für ein solches Großprojekt mit hohem Energiebedarf.

Ein Vorhaben dieser Art – egal ob auf einem alten Industriegelände oder mitten in der Stadt – gelingt nur, wenn Unternehmen, Länder und Kommunen eng zusammenarbeiten. Woher kommt der Strom? Wie funktioniert die Wärme- und Energieversorgung? Wie kann das Rechenzentrum dazu beitragen? Diese Fragen müssen früh geklärt werden, um ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln.

Rechenzentren als Investment

Rechenzentren werden in Zukunft fester Bestandteil jeden urbanen Quartiers sein und sind aus der Stadtentwicklung gar nicht mehr wegzudenken. Daher gewinnen sie auch als Investitionsobjekt immer mehr an Bedeutung. Doch neue Assetklassen wie diese, stellen Investoren vor neue Herausforderungen: Im Vergleich zu alten Assetklassen sind sie komplexer und bieten andere Nutzungs- sowie Finanzierungsmöglichkeiten. Ein sogenannter Data Center Ready Check kann helfen. Experten führen dabei eine Risikobewertung des Rechenzentrums durch und prüfen, welche Konzepte umsetzbar sind und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Noch gibt es erst wenige Gutachter, die das nötige Rechenzentrums-Knowhow für eine fundierte Bewertung haben.

Um Deutschland fit für die digitale Zukunft zu machen, braucht es vor allem zwei Dinge. Zum einen die Erwachsenenbildung: Unternehmen, Mitarbeitende, staatliche Institutionen und Investoren müssen sich intensiv mit Rechenzentren als neuer Assetklasse auseinandersetzen und sie als festen Bestandteil urbaner Konzepte verstehen. Zum anderen muss die Netzinfrastruktur stark ausgebaut werden, um die Stromversorgung der vielen Rechenzentren zu sichern. Gelingt beides, ist Deutschland gut auf die Digitalisierung vorbereitet – und kann sich als globaler Vorreiter für innovative Technologien positionieren.

Zum Autor

Klaus Dederichs ist externer Berater bei Drees & Sommer SE und leitet das Innovation Hub Smart Building an der RWTH Aachen. Als ausgewiesener Experte für Data Center, Digitalisierung und Customized Smart Buildings bringt der Diplom-Ingenieur umfassende Erfahrung in der Abwicklung komplexer Großprojekte mit. Seine Schwerpunkte umfassen unter anderem das Anforderungsmanagement in Digitalisierungsprojekten, die strategische Projektentwicklung, das Planungs- und Bauprozessmanagement sowie die Prozessoptimierung. Darüber hinaus befasst er sich mit Energie- und Nachhaltigkeitskonzepten.